Die Geschichte der Bienen – Maja Lunde
Bereits seit Jahren sehen sich Imker immer wieder der Frage gegenübergestellt, weshalb ganze Bienenvölker aus ihren Beuten verschwinden und nichts als bedrückende Stille hinterlassen. Mögliche Antworten darauf lauten Krankheiten, Klimawandel, Monokulturen und insbesondere Pestizide wie Dow Chemical‘s Sulfoxaflor sowie Neonicotinoide. Gepaart mit der geringen Fortpflanzungsrate führte dies beispielsweise im Zeitraum von 2006 bis 2017 in den USA und in Europa dazu, dass die jährliche Verlustrate von Honigbienen etwa 30% betrug. All das führt nicht allein dazu, dass eines Tages kein Honig mehr für Nahrungsmittel verwendet werden kann, sondern verursacht im Allgemeinen eine Nahrungsmittelknappheit, da Bienen etwa 170000 der 3800000 Pflanzen auf der Welt bestäuben. Das bedeutet für uns, dass etwa 1/3 der Lebensmittel, die wir konsumieren, nur dank den tüchtigen Wesen wachsen und uns zur Verfügung stehen. Und nicht nur wie sind auf sie angewiesen, sondern ebenfalls viele andere Arten – von Pflanzen bis hin zu anderen Lebewesen.
Die Frage, wie unsere Zukunft einmal aussehen wird, wenn wir weiterhin so wirtschaften und damit unsere Umwelt in Mitleidenschaft ziehen, stellt sich auch Maja Lunde in ihrem Roman.
In diesem versucht sie uns durch drei verschiedene Handlungen, welche in unterschiedlichen Zeiten spielen, einen Teil der Geschichte der Bienen nachzukonstruieren. So werfen wir einen Blick in die Mitte des 19. Jahrhunderts, ins Jahr 2007 und in die nahe Zukunft, das Jahr 2098. Wir erleben die Anfänge der Beuteforschung gemeinsam mit William Savage, der in der Krise seines Lebens als Wissenschaftler steckt und nur Schrittweise wieder zu seiner Arbeit zurück und seinen Weg zu den Bienen findet. George hingegen begeisterter Imker, der versucht, sein Familienerbe zu bewahren, zu mehren sowie seinen Sohn für die Familientradition zu erwärmen. Doch dann kommt auf einmal das große Bienensterben dazwischen und bedroht seine Existenz. Und das, was sich bei George bereits angedeutet hat, nimmt 2098 viel extremere Ausmaße an, sodass die Geschichte in einem dystopischen Gewand erscheint – Arbeiter müssen die Bienen ersetzen und die Plantagen von Hand aus bestäuben, tagein, tagaus in ihrer Monotonie gefangen, ohne je genügend Nahrungsmittel zur Verfügung zu haben. Doch das ist noch nicht genug, denn aufgrund von ominösen Umständen erkrankt Taos Sohn und wird fortgeschafft, sodass sie sich auf eine lange Reise nach der Suche der Wahrheit begeben muss. An dessen Ende steht ein hoffnungsvoller Schimmer, der darauf gründet, dass wir Zusammenhänge erkennen und uns auf unser früheres Wissen berufen.
An sich ist der Grundaufbau nun vielleicht nicht ganz gelungen, doch er stellt ein solides Fundament dar, auf welchem man eine große Geschichte aufbauen kann. Durch die winzigen Cliffhanger am Ende eines jeden Kapitels und durch die wechselnden Kapitel erzeugt die Autorin auf jeden Fall eine gewisse Spannung, wodurch man das Buch durchaus bis zum Ende durchlesen kann. Doch es gibt auch einige Stellen im Buch, die sich wie zäher Honig ziehen, allerdings ohne die Süße. Die Story bietet so viel Potential, doch es wird nicht ganz genutzt, weshalb es an Tiefe und an einigen Stellen an Facettenreichtum fehlt. Ein Pluspunkt wäre zwar, dass das Buch sich auch mit Themen wie Depressionen, Familienkonflikten, Erwartungshaltungen der Eltern und Verlusten auseinandersetzt, doch diese nehmen ein viel zu großen Teil im Buch ein, sodass man die Problematik des Bienensterbens häufig nur zwischen den Zeilen lesen kann. In Georgs Part konnte sie die ursprüngliche Intention, welche durch die leblose Biene auf dem Cover zu erkennen ist, relativ gut umsetzen, obwohl mir dies trotzdem zu oberflächlich abgehandelt wurde. Dafür, dass sie in ihrer Danksagung so viele Imker, Bienenexperten, Sachbücher etc. aufzählt, kommt nicht ganz so viel beim Leser an – höchstens in Williams Geschichte, in welcher noch verhältnismäßig viel Wissenschaft zu finden ist.
Taos Geschichte enttäuscht mich in der Hinsicht am meisten, da das gesamte Buch genau darauf hingearbeitet hat: Uns die dystopische Zukunft ohne Bienen zu zeigen. Natürlich lässt sich einwerfen, dass ihre Heimat das Produkt des Bienensterbens darstellt, wodurch indirekt einige Folgen des Bienensterbens genannt werden, was vor allem zum Ende hin, als sie in Peking ankommt, sehr deutlich zu Tage tritt und zum Nachdenken anregt. All das wird jedoch zu sehr in den Hintergrund gedrängt, da sich die Handlung vorrangig auf die Suche Wei-Wens (Taos Sohn) konzentriert und nur wenig Hintergrundinformationen liefert, wobei mich zusätzlich gestört hat, wie unbedacht Tao die ganze Zeit über reagiert hat, obwohl sie als sehr intelligent galt – erst als Tao ihren Sohn findet, ändert sich das, doch das kommt alles etwas zu abrupt und wird dem Leser kalt serviert.
Die dargestellte Zukunft erscheint mir an einigen Stellen zudem etwas unglaubwürdig: Die Nahrungsengpässe in dieser Form befinden sich zwar im Rahmen des Möglichen, doch ich kann mir nicht ansatzweise erklären, weshalb alle Technologien und all das Wissen der vergangenen Jahrhunderte und Jahrtausende auf einmal so brach liegen, sodass man nicht mehr wirklich darauf zugreifen kann oder will. Das Bienensterben würde der Wissenschaft einen deftigen Dämpfer verpassen, sicher, doch es würde sie nicht aufhalten – ich hätte in der Hinsicht deutlich mehr erwartet. Vor allem wenn man bedenkt, dass in Vitro-Fleisch mittlerweile hergestellt werden kann und man daran arbeitet, dieses auf Basis von Algenextrakt herzustellen – dies und mehr sollte in der Zukunft erst recht möglich sein, ganz zu schweigen von Geräten, welche die Pflanzen bestäuben.
Ich möchte ihr Werk allerdings nicht in den Boden stampfen, denn es ist äußerst wichtig, die Menschen auf diese Thematik aufmerksam zu machen, vor allem deshalb, weil die Konsequenzen bei uns noch nicht unmittelbar im Alltag angekommen sind, weshalb wir uns meist nicht näher damit auseinandersetzen – das Buch trägt einen Teil dazu bei, dies zu ändern. Sie hat einen ersten Schritt gewagt, welchem hoffentlich viele weitere folgen werden.
Selbst wenn mich das Buch nicht ganz gefesselt hat, führte es doch dazu, dass ich mich etwas mehr damit beschäftigt habe und dem Thema einen gewissen Stellenrang in meinem Leben gebe, da es uns alle betrifft. Vielleicht ändert das Buch ebenfalls euren Blick auf unser Konsum- und Wirtschaftsverhalten, selbst wenn wir dieses nicht direkt als Wegweiser nutzen können. Zumindest steht jetzt eine große Frage im Raum, auf welche wir zusammen eine Antwort finden müssen.
https://www.geo.de/geolino/natur-und-umwelt/4487-rtkl-bienensterben-rettet-die-bienen