Clockwork Princes – Cassandra Clare
Hochzeitskleid, Pockenwurm, Klockwerk-Kreaturen, Magie, Yin Fen, Selbstaufopferung, Kämpfe, Offenbarungen, Rätsel, Zusammenhalt, hohle Berge und ganz viel Liebe erwarten den Leser in diesem imposanten und bewegenden letzten Band. Man kann auch hier erneut brennende Leidenschaft, Gefühlsüberschwang und Intensität (emp)finden. Gefühlsmäßig stelle ich mir Buch wie einen Fluss vor, der zwar mitreißend, kraftvoll und gewaltig ist, aber auch eine eigentümliche innere Ruhe vermittelt, welche ungeahnte Tiefen besitzt, in der man sich zu verlieren droht. Die Geschichte ist schlicht und ergreifend mit Feingefühl und Intelligenz geschrieben worden, weshalb sie mich als Leser stets aufs Neue zu entführen vermag.
Deshalb kann ich mir (fast) nichts besseres vorstellen, als Stunde um Stunde in die Welt der Schattenjäger einzutauchen, gemeinsam mit Jem, Will, Tessa, Charlotte, Henry, Magnus, Gideon und der restlichen Bande dem Kommenden entgegenzutreten sowie der Dinge zu harren. Dabei animiert Mrs Clare einen zum Lesen vieler anderer Werke und doch komme ich nicht umhin, wiederholt diese Reihe zur Hand zu nehmen. Dabei führt sie nicht nur Zitate anderer Schriftsteller und Poeten an, sondern bietet auch selbst ein großes Potenzial herrlicher, denkwürdiger Aussagen. Natürlich gibt es ebenfalls Wills phänomenal grauenhafte Gedichte (Laut Per Anhalter durch die Galaxis stammt das schlechteste Gedicht des Universums von einer gewissen Paula Nancy Millstone Jennings - Will macht ihr wahrlich Konkurrenz) und sehr einfühlsame, hoffnungsvolle Texte/ Worte, welche wie die strahlende Sonne erscheinen. Die Begeisterung rührt natürlich auch von ihrem Schreibstil her, welcher detailliert und so anschaulich wie gehabt ist, wodurch unter anderem das viktorianische London sowie die satten Hügel Wales‘ vor dem inneren Augen entstehen, außerdem zeichnet sie sowohl eine fantastische Verborgene Welt als auch sympathische, herzensgute Charakter.
Wenn ich meine Notate überblicke, fällt sofort ins Auge, dass sie sich großteils mit den Personen befassen – wie es so üblich ist. Die Jagd nach Mortmain, Tessas sehnlicher Wunsch, etwas über ihre Herkunft herauszufinden, Jems (Krankheits)Geschichte, das Geheimnis hinter dem Clockwork Angel (deshalb hätte auch dieser Titel gepasst; mit ihm steht und fällt alles), der Machtkampf des Inquisitors, Starkweathers Interesse an Tessa – kurzum die Handlung an sich, ist sehr einnehmend und beweist eindeutig Mrs Clares Talent, doch sie stellt für mich nicht den ausschlaggebenden Grund dafür dar, das Buch in die Hand zu nehmen (obwohl die Protagonisten eben jene Abenteuer erleben und so formen– sie machen die Handlung erst zu etwas Wertvollem).
Um diesen Punkt „abzuhaken“: Tessa spürt, wie sie sowie all ihre Verbündeten und Gefährten als Charakter ihrer eigenen Geschichte auf etwas Dunkles zuschlittern, zu was sie zu kontrollieren nicht imstande sind. Aber sie möchte etwas ändern, nicht tatenlos daneben stehen. Obwohl ich nicht sonderlich viel über Boadicea, einer mutigen Königin sowie Heerführerin Englands, weiß, scheint mir Tessa nicht minder mutig. Im Allgemeinen kann man mitverfolgen, wie die Protagonisten an ihren Aufgaben wachsen. Und obgleich ich mit Gabriel sowie Jessamine nicht sonderlich warm werden konnte, selbst wenn die Beweggründe nachvollziehbar sind, kam ein Punkt innerhalb der Handlung, da ich wirklich Respekt, Anerkennung und entfernt Bewunderung für beide empfand; sie warten mit einer Charakterstärke auf, die man ihnen nicht zugetraut hätte. Diese Szenen sind wirklich gut durchdacht geschrieben. Man musste seine (vielleicht sogar eingefleischte) Meinung ändern bzw. überdenken, was entfernt auch auf Mortmain zutrifft.
Nur ein paar kleine Kritikpunkte hätte ich zu äußern: 1. Es ist mir schleierhaft, weshalb Tessa Mortmains Drängen beim zweiten (!) Mal nachgibt, um Yin Fen für Jem zu erhalten, schließlich hatte sie vorher deutlich gemacht, zu wissen, damit etwas Schlechtes und für die Nephilimgemeinschaft Schadendes zu tun. Sie hatte noch zu Jem gesagt, dass es Irsinn gewesen wäre. 2. Von der ganzen Handlung und der Ausschmückung der Charaktereigenschaften her einmal abgesehen, erscheint es ein wenig dubios, dass alle Institutsbewohner jemanden unter diesem Dach finden, den sie lieben. Das ist nicht schlecht, aber von allem bisher Gelesenen das mit Unwahrscheinlichste. 3. Woher weiß Magnus eigentlich, dass sich Will als Sydney Carton sieht? Schließlich hat er ihm gegenüber nicht das Mindeste in dieser Richtung verlautbaren lassen.
Abgesehen davon kann ich nichts bemängeln – nun ja, abgesehen davon, dass diese Chroniken vorbei sind und ich/wir nicht mehr von den Protagonisten erfahren. Allerdings ist es interessant, eigene Gedanken zu spinnen und zu überlegen, wie ihre Nachkommen beispielsweise nach Amerika gelangen (in dem oben abgebildeten Buch sind auf der Innenseite des Umschlags die Stammbäume der Carstairs, Lightwoods und Herondales abgebildet). Und eine Frage, die ein paar Fans wohl auch brennend interessiert, ist wohl, ob Bruder Zachariah, wenn er in diesem Band schon mit himmlischen Feuer in Kontakt gekommen wäre, die Bruderschaft wieder hätte verlassen können? Oder wäre er gestorben?
Weiterhin weist Mrs Clare häufig auf die Namensgebung hin, beispielsweise bei Sophie, was „Weisheit“ bedeutet, oder bei Mortmain (Hand des Todes). Ebenso verhält es sich bei Armers, was auf deutsch Rüstungsgüter heißt und ziemlich passend ist. Ihre Recherche und Genauigkeit bezüglich der Örtlichkeiten, der chinesischen Kultur sowie der verschiedenen Künste nur kurz angeschnitten: Durch die vielen kleinen Details verleiht sie ihrem Band die richtige Portion Authenzität; ihre Gradwanderung zwischen Fiktion und Realität lassen eine großartige Welt mit besonderem Flair entstehen.
Von den abenteuerlichen Szenen und unglaublichen Wendungen einmal abgesehen, wimmelt der Band ebenso von lustigen (Ein Wort – Scones), empfindsamen, liebevollen sowie schmerzlichen Momenten, wobei die Szene mit Magnus, Will und Jem am Krankenbett und die im Gasthof mit Woolsey Scott herzzerreißend ist, ebenso wie die gesamten letzten 100 Seiten. Eben jene Teile liebe ich besonders. Angefangen bei Magnus: Irgendwie stranden alle gebrochenen Seelen bei ihm, die er, als guter Mensch, welcher er ist, zu retten sucht, ohne jegliche Gegenleistung; er hat Will nicht in Stich gelassen. Weiterhin stellt die innigliche und aufrichtige Freundschaft von Jem und Will etwas ganz besonderes dar. Ebenso die Beziehung, welche Tessa zu den beiden jungen Männern hat. Genau deshalb konnten sie sich gegenseitig auch so stark verletzen: Weil sie so in Liebe und Zuneigung in einander aufgehen und ehrenhaft sind, wobei ihr Schmerz immer etwas abgrundtief reines an sich hat.
So sehr ich Wessa (diese Bezeichnung gibt es erstaunlicherweise wirklich) entgegen fieberte, ist Jem wohl einer der gütigsten, selbstlosesten, wundervollsten und verständnisvollsten Menschen, welcher mir je unterkommen ist. Er ist jemand, in dessen Händen man wie Wachs schmilzt, während sich in einem gleichzeitig eine innere Stärke breit macht, die Eisen und Erze bricht. Stellt euch vor, das Schlimmste anstellen zu können und dabei jemanden ein eurer Seite wissen zu können, der euch nie im Stich lässt, immer vergeben wird. Dennoch kann man nicht sagen, dass Will nicht ebenfalls wunderbar ist, auf seine ganz eigene Weise. So viel Gefühl, Selbstlosigkeit und Herzensgüte berühren tief in einem etwas. Kurz gesagt: Es sind eigentlich alle Bewohner des Londoner Instituts bezaubernde, liebenswerte Personen und es wäre schön, wenn eine Vielzahl an Menschen diese Eigenschaften besitzen würde, was leider nicht der Fall ist. Wenn man so viel Zeit mit solch grundauf guten Menschen verbringt, kommt einem die Erde manchmal wie ein kühler Ort vor (Und das trotz Erderwärmung! Tut mir leid).
Und so sehr sie alles Glück der Welt verdient hätten, ist es angemessen, dass sie nie vollständig ungetrübtes Glück erlebten, so sehr ich es ihnen auch gegönnt hätte. Es zeigt nur, welch gute Menschen sie sind. Dennoch hat das Ende etwas zutiefst menschliches an sich: Der Wunsch, dass man trotz allen Schrecken der Welt weitermachen kann, dass die Liebe einem besondere Kräfte verleiht und hilft, das Unerträgliche zu ertragen. Vielleicht ist ja wirklich alles Leben Leiden, doch es gibt Mittel und Wege, diese Leiden zu überdauern, mit ihnen zu leben. Cassandra Clare zeigt einen dieser Wege - und er ist wahrlich nicht der Schlechteste.