Ein Tanz mit Drachen – George R.R. Martin

Ein Tanz mit DrachenGeorge R.R. Martin

Allein wenn man den Titel ließt, kommen Einem stets Bilder sowie Gedanken in den Sinn und in diesem Fall gaukelte mir mein Vorstellungsvermögen keine Szenerie mit fröhlichem Reigen vor, was durch das bisher Gelesene begründet ist. Nur die Willensstärksten und vom Glück geküssten können im Tanz um das Leben (und um die Throne) gegenüber den Drachen die Oberhand behalten.

Und damit soll nicht gesagt sein, welche Drachen insgesamt gemeint sind, schließlich sind es vier beziehungsweise fünf an der Zahl, wenn der Junge Greif mit einbezogen wird (ob er diese Bezeichnung verdient, wird sich noch zeigen). In dieser Hinsicht eine ebenfalls wichtige Thematik: Habt ihr euch auch langsam gefragt, wann der Nächste stirbt? Nicht (maßgeblich), weil wir einen von ihnen unbedingt sterben sehen wollen, sondern weil dies Martins ganz besonderen Zauber und einen nicht unerheblichen Teil der Realitätstreue dieser Reihe ausmacht. Da die meisten Protagonisten eine wichtige Rolle innerhalb der Handlung einnehmen, schob Herr Martin ihren Tod lange Zeit auf. Bis zu diesem Band. Einige Geschichten hingen das ganze Buch über hinweg arg in der Schwebe und durch die Cliffhanger wurden einige Kapitel an Spannung sehr intensiviert, wodurch es an einigen Passagen ein wenig besser als der vorherige Band ist, was definitiv als großes Lob aufgefasst werden soll, da dieser bereits Literatur erster Güte darstellt.

Natürlich steht Dany erneut im Fokus, wie es bei solch einem Titel nicht anders sein könnte. Und da Quentin nicht davon abzubringen ist, um diese Königin, welche darüber hinaus bezüglich der Männer andere Vorlieben besitzt, zu werben, kommt auch er Wohl oder Übel mit den Drachen in Berührung. Indes gibt er nicht auf, für seinen Vater und dessen Land zu kämpfen, ändert seine Pläne und opfert alles, weshalb ich sehr gespannt der kommenden Dinge harre: Werden Arianna und der Junge Greif sich nun notgedrungen zusammentun, um das Land von der Knute der Lennisters zu befreien? Und ganz am Rande: Warum wenden sich die Leute, welche für das relativ Gute, aber auf unterschiedlichen Seiten kämpfen, gegeneinander und einen ihre Kräfte nicht? Warum lässt Macht bzw. Vorurteile die Menschen das Gute aus den Augen verlieren? Kevan Lennister, Tommen, Dany, Doran Martell, Varys, … all sie wollen nichts Böses und stehen einander doch großteils in verhärteten Fronten gegenüber und verbünden sich stattdessen in manchen Fällen mit den Falschen.

Allerdings muss auch dieser Umstand kritisch betrachtet werden - Martin zeichnet diese Welt wie gehabt in einer Komplexität und Kompliziertheit, wie auch unsere in (reichlich) vereinfachter Form betrachtet werden soll; nichts ist jemals einfach. Deshalb beugt beispielsweise Dany vorerst ihr Knie gegenüber Hizdahr: Sie möchte ihre Kinder, die Sklaven, Benachteiligten. Soldaten und Unbefleckten, vor den Harpyien retten. Es sollte jedoch nie vergessen werden, dass in ihr das Blut des Drachen brennt, weshalb wir zum Ende hin, mit einigen Abenteuern dazwischen, erfahren, was es mit der Weissagung der Magi bezüglich Khal Drogo und Danys Fruchtbarkeit auf sich hat. Und genau dies wiederum wird auch Unmengen an Erzählstoff für die kommen Bücher bieten. Dabei ist „Ein Tanz mit Drachen“ vorerst der letzte Band, welcher erschien. Momentan schlägt Herr Martin sich mit dem Nächsten herum, wobei manche munkeln, sein Epos sei ihm über den Kopf gewachsen, schließlich ist dieser so facetten- und detail- sowie geschichtsreich, dass man die Hauptstränge leicht aus den Augen verlieren kann. Das ist aber eben auch ein sehr faszinierender Aspekt daran; In der Realität läuft nicht alles mit ein paar Abwegen und Schwierigkeiten auf das „Ziel“ zu, gibt es nicht nur ein paar Menschen, die zu einem Ereignis beitragen; es gewinnen auch nicht immer die „Guten“. Dies berücksichtigt der Autor, was ihm die Aufgabe jedoch erschwert, all das zu beenden. Es würde mich allerdings brennend interessieren, ob er das Ende wirklich schon seit Jahren kennt, wie er in einem Interview angab.

Wie bisher lässt sich auch in diesen Band unsere Welt und deren Geschichte gut hineinprojizieren. Um noch kurz bei Meereen zu verweilen: Dort finden in den Kampfarenen erneut Sklavenkämpfe sowie Tierhetzen statt, ebenso wie im römischen Reich, wobei es bei uns vor Jahrhunderten abgeschafft wurde, weshalb die Frage aufkommt, ob Dany in Zukunft in diesem Sinne der Honorius dieser Welt wird. Und Tyrion, der zusammen mit Mormont als Sklave verkauft wurde, erlebt hautnah mit, wie die Fahle Mähre (die Ruhr) sich unter den Belagerern ausbreitet, welche er zu nutzen weiß. Diese forderte ebenso im Mittelalter unserer Welt viele Tote.

Natürlich zählt auch Jon wieder zu einem der Hauptakteure und steht seinen Mann an der Mauer, obgleich ihm viele feindlich gesinnt sind. Die wenigsten nehmen seine Wildlingspolitik gut auf; sie stellen sich gegen den Fortschritt und Gleichberechtigung, weshalb das Ende nicht unerwartet, aber doch sehr überraschend kommt. Dabei ist Jon mit einer der sympathischsten Personen; er kommt genau nach seinem Vater, womit diese Reihe jedoch abermals eindeutig zeigt, dass Rechtschaffenheit nur selten vergolten wird. So, wie alles im Norden im Argen hängt, erwartet den Leser noch einiges. Das hängt auch mit Stannis Aufmarsch gen Winterfall zusammen, wobei er sich vorerst durch eine dicke, ihn umgebende Schneewand genötigt sieht, einen Halt einzulegen. Von dem legendären Ausspruch Der Winter naht kann nicht mehr die Rede sein: Er ist längst eingebrochen.

Wir treffen auch erneut auf den gebrochenen Tintenfisch, der langsam wieder zu sich selbst findet. Ansprechend war hinzukommend dessen Unterhaltung mit Lady Staublin, welche einen erheblichen Groll gegen die Starks aufgrund bestimmter Ereignisse hegt, die lange Zeit zurück liegen. Es werden Geschichten bezüglich Brynden aufgewärmt, die ganz neue Facetten zeigen und die Geschehnisse in einem anderen Blickwinkel stehen lassen, und das nicht nur, weil es beweist, dass jeder bestimmte Gründe für sein Handeln besitzt, sondern auch die vormals sichere Vergangenheit in Zweifel ziehen lässt. Allerdings ist das wieder ein Seitenstrang, von dem noch nicht ganz ersichtlich ist, wie er die Geschichte voranbringt.

An dem Punkt lässt sich etwas bezüglich der Kapitelüberschriften sagen, welche bereits in den letzten Büchern bei den neuen Protagonisten stark variierten: Mittlerweile greift das auch auf alt eingefleischte Hauptcharaktere über. Die neuen Bezeichnungen bringen Abwechslung hinein und regen kurzzeitig zum Denken an, da man manchmal erst überlegen muss, mit wem man es zu tun hat. Die Überschriften sagen überdies hinweg einiges über die Geleitfunktion, den Zustand, die Gemütslage der Protagonisten aus, wobei Theon alias Stinker, der Abtrünnige, Ein Geist in Winterfell ein exzellentes Beispiel darstellt. Auch bei Arya alias Katz, Niemand, … lässt sich das gut mitverfolgen, insbesondere da wir nicht nur häufiger als sonst von ihr zu lesen bekommen, sondern vorrangig deshalb, weil sie lernt, sich wie der Vielgesichtige Gott zu wandeln, was äußerst faszinierend ist. Das ist ein Part, der unbedingt weiter ausgebaut werden sollte und doch seine Magie dadurch erst erhält, dass vieles im Verborgenen bleibt. Dies bietet auf jeden Fall viel Gedankenspielraum. Das trifft auch auf den neuen unvergesslichen Satz Worte sind Wind zu, da es äußerst interessant ist, zu sehen, in welchem Kontext die Worte verwendet werden: Sei es aus eigennützigen oder uneigennützigen Gründen; wann und von wem sie geäußert werden – oft und von nahezu jedem und überall.

Um nicht weiter ins Detail zu gehen: Jede der einzelnen Handlungen vermag seinen besonderen Charme auszusprühen, ist originell, teils fantasievoll, nervenaufreibend und fesselnd, weshalb nie wirklich Langeweile aufkommen. Cerseis Bußgang bewirkt einige Gefühlswallungen, Victarions Überfahrt verspricht Abenteuer, Intrigen werden von Tyrion etc. geplant, andere werden aufgedeckt, Barristan Selmy muss sich auf sein eigenes Urteilsvermögen verlassen usw.. Da diese beiden Bände von der Handlung her stark angezogen sind, treffen wir sogar bereits im Mittelteil auf altbekannte Freunde, weshalb man sie glücklicherweise nicht so lange missen muss. Wie stets verwendet der Autor eine bildhafte, anschauliche Sprache, welche diese Welt exakt zeichnet, Situationen detailliert darstellt und doch einen eigenen Gedankenraum lässt. In erster Linie braut sich etwas großes über dem Westeros zusammen, was wohl kommend noch einiges in Bewegung setzen wird, weshalb jeder Fan nicht davor halt machen sollte, diesen 10. Teil der Ein Lied aus Eis und Feuer-Saga in die Hand zu nehmen. Er ist einfach großartig.

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