Zeit der Krähen – George R.R. Martin

Zeit der Krähen – George R.R. Martin

Das Geflüster, Verschwören, Spionieren, Manipulieren und, kurzum, das liebliche Intrigenspiel in seiner Finesse nimmt seinen Lauf und immer größere Ausmaße an, schließlich ist das Reich durch den Tod Baleon Graufreuds, Tywin Lennisters und den des dornischen Prinzen Oberyn aufgewühlt.

Dennoch bekommt der Roman eher eine vorbereitende Rolle zugeteilt. An allen Ecken und Enden Braut sich etwas zusammen, das Reich steht vor neuen Konflikten, aber die Cliffhanger sind dennoch eher rar gesät, vergleicht man sie mit seinem Vorgänger. Das ist jedoch in Anbetracht dessen, dass wir ganz viel neues über Westeros, seine Bewohner und dessen Geschichte, erfahren vollkommen akzeptabel. Die vielen neuen Eindrücke und Puzzleteile sind vor allem den neuen Protagonisten - wer dachte, endlich einmal die Überhand im Kampf gegen die ganzen Namen und Familien zu haben, wird nun wieder eines Besseren belehrt – verschuldet, aber nicht ausschließlich, da wir auch von unseren altbekannten und geschätzten bzw. aus tiefstem Herzen verhassten Personen brisantes oder aufwühlendes zu hören bekommen.

Neue Blickwinkel rücken auf, und uns erwarten Kapitelüberschriften wie u.a. „Der Prophet“, „Hauptmann der Wache“, „Die Tochter des Kraken“ sowie die ganzen anderen. Und all diese Personen sind auf das Cover abgestimmt (abgesehen vom Prolog, der mich wirklich schon gebannt auf das Kommende warten lässt). Das Wappen gehört zu der Familie der Martells (und somit Prinz Oberyns Verwandtschaft), dessen Angehörige ebenso rau und unerbitterlich wie ihre Heimat sind; eine stolze, aufbrausende Familie mit einem ebenso heißblütigen Volk. Nur Doran, Oberyns Bruder und der legitime Herrscher Dornes, ist ein milder und besonnener Mann, der nur Frieden wünscht und deswegen manch eine Maßnahme gegen die nach Rache schreienden Frauen ergreifen musste. Der Tod der Viper sollte einige erhitzte Gemüter nach sich führen.

Aber auch Baleons Ableben führt bei den Eisenmännern zu einigen Streitigkeiten und mündet schlussendlich im Ringen um das große Ganze: Den Thron. "Doch es wird ein neuer König kommen! Denn was tot ist, kann niemals sterben, doch es erhebt sich von neuem, härter und stärker!" (Ein Satz, so häufig wiederholt, dass er wohl wieder als unsterblich eingehen wird.) Dabei rivalisieren nicht nur die Brüder Baleons, unter ihnen der verbannte Euron Krähenauge (!), sondern auch dessen schlagfertige Tochter Asha, die ihr Recht einfordert und nach Gleichberechtigung schreit. Ein Kopf an Kopf rennen beginnt, welches ein interessantes Ende nimmt. Die Lage spitzt sich immer weiter zu, weshalb die hypnotisierende Wirkung einen im Bann hält.

Um noch etwas konkreter auf die Frauenpower einzugehen: Im Allgemeinen können wir im gesamten Buch feststellen, dass einige Frauen aufstehen und nicht mehr dulden, übergangen zu werden. Durch Arya, Brienne, Asha und Cersei hing dieser revolutionäre feministische Hauch auch schon in den vorherigen Büchern in der Luft, in diesem manifestiert er sich jedoch. Ob sie in der Thronfolge übergangen, als Mensch nicht gleich geachtet, als Krieger nicht ernst genommen werden oder ihre Meinung angezweifelt wird, all das ist für sie nicht mehr tolerierbar. Und durch Sätze wie: "Die Götter haben Männer für den Kampf geschaffen und Frauen, um Kinder zu gebären. Der Krieg einer Frau findet im Kindbett statt.", lässt der Autor einen schon empört aufschreien und den Fokus exakt auf dieses Thema setzen.

Natürlich wurde diese Aussage angesichts Briennes Reise geäußert, welche die Siebenkönigslande durchstreift, um ihr Versprechen Catalyn und Jaime gegenüber zu halten. Geschichten aus ihrer Vergangenheit, Reaktionen von Fremden, und Männer wie Hylo entrüsten einen dann noch zusätzlich, was die Sympathie für Brienne nur steigen lässt. Damit sind aber nicht grundsätzlich alle gemeint. Auf ihrem Weg trifft sie beispielsweise auf einen jungen, schüchternen Knappen, der ganz verzweifelt nach seinem Zwerg bzw. dessen Frau sucht, weshalb er sich Brienne anschließt und ihr treu den Rücken frei hält. Was den kleinen Romantiker in mir doch sehr gefreut hat, ist, dass sie sich ihrer Gefühle eines weißen Mantelträgers gegenüber langsam bewusst wird.

Von Arya (auch als Salzi, Jungtaube, Arry, Klumpgesicht, Nan, Wiesel etc bekannt), dem großen Sturkopf, erfahren wir allerdings nicht so viel, wobei ihre Kapitel mit die spannendsten sind. Endlich in Bravoos angekommen, wird sie nämlich ihrem Schicksal entgegen geführt.

In Königsmund werden uns wieder die Machenschaften des Hofes vor Augen geführt, wobei von nun an Cersei die Fäden in der Hand hält und nicht mehr Tywin. Genau in den Kapiteln wird einem deutlich gezeigt, wie berechtigt die Abneigung gegenüber Cerseit ist. Und es ist auch überhaupt kein Wunder, dass sie stets einen Feind im Nacken wähnt, tat sie doch nie etwas, um sich wahre Treue, Aufrichtigkeit und Güte zu verdienen. Sie beginnt, Aerys Targaryan nachzueifern und steigert sich immer weiter in ihren Größenwahn hinein. Und damit treibt sie das komplette Land in den Ruin und weist alte Verbündete zurück, da sie keine Vertrauten Tywins oder Jaimes wünscht. Außerdem fängt sie an, bezüglich ihres Zwillings deutlich abzukühlen. Auch er verhält sich ihr gegenüber nicht mehr hingebungsvoll, weil Tyrion Zweifel in ihm säte, was ihre Treue anbelangt. Emotional distanziert er sich immer mehr von ihr, was der kleine Romantiker in mir mit Jubel begrüßt.

Zu Jon wurde nur so viel gesagt, als dass er sich in seine Rolle als Lord Kommandant einfindet; Sam geht gezwungenermaßen auf stürmische Reisen und die restlichen warten nächsten Band auf uns. Dany, Bran, Jon, Tyrion, Stannis und Davos geraten sehr ins Rücktreffen, was verständlich ist, weil Herr Martin entscheiden muss, welche Geschichte er erzählt, damit die Handlungen ihren Lauf nehmen und die Geschehnisse in die richtige Richtung gelenkt werden (falls es so etwas in diesem Buch überhaupt gibt). Diese 6 bilden mittlerweile ein so festes Fundament in dem Roman, dass es traurig ist, nicht so viel über ihr weiteres Vorgehen zu erfahren. Doch der Autor beruhigt seine Leser am Ende damit, dass der nächste Roman ganz mit ihrer Geschichte gefüllt ist (was auch schade ist, weil wir dann nicht mehr viel von den anderen mitbekommen – ein tausend Seitenband für jede Neuerscheinung, das wäre die unrealisierbare Lösung).

Da es überall Knistert und Knallt, der ganze Band neue Konflikte verheißt und in seiner teils dämmrig düsteren Heimlichkeit, andererseits mit Abenteuern und Kämpfen des Verstandes, Komplotten, bildgewaltigen Szenen, Situationen, die einen ins Grübeln bringen, und vielen Deutungsmöglichkeiten überzeugt, kann ich kaum die kommenden Geschehnisse abwarten.

 

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