Die Saat des goldenen Löwen – George R.R. Martin
Im 4. Band wird uns in all seiner niederschmetternden Deutlichkeit gezeigt, was der ach so goldene Löwe zu säen in der Lage ist, entsprechend seines Titels. Und das gereicht ihm nicht zur Ehre. Zumindest in großen Teilen. Nachbar wendet sich gegen Nachbar, Bruder gegen Bruder, Rachebündnisse werden geschmiedet und die Seite ganz nach belieben gewechselt. Nahezu das gesamte Königreich steht in Flammen, Menschen hauchen so rasch ihr Leben aus, wie Blätter in den späten Herbstmonaten fallen. Niedertracht, Feindlichkeit und Uneinigkeit ist fast aller Orts zu finden.
Damit möchte ich Tyrion aber keineswegs in den selben Topf wie seine herzallerliebste Verwandtschaft stecken. Während die Lennisters und ihre Verbündeten brandschatzend durch Westeros ziehen, brutal und unnachgiebig ihren Untergebenen gegenüber sind, versucht er mit seinen gegebenen Mitteln, Königsmund zu sichern und den Übeltaten entgegenzuwirken. Durch die häufigen Kapitel bekommen wir auch einiges von der verzweifelten Sansa zu hören, die von ihm in Schutz genommen wird und heimlich Pläne schmiedet. Weiterhin begleiten wir Tyrion dabei, wie er sich als rechtmäßig ernannte Hand gegen Cersei und seinen Neffen, Joffrey, zu behaupten versucht und dabei seine eigenen Netze weiter spinnt. Und er liebt es. Tyrions Verstand ist zumindest einmal seiner Familie gegenüber in seiner Brillanz und Wertigkeit sichtbar. Aber das Volk weiß sein Bemühen nicht zu schätzen, weshalb er auch an dieser Front zu vermitteln, teils zu kämpfen hat.
Währenddessen hält Stannis im Süden Einzug, mit nicht viel mehr als einer kleinen Armee hinter sich. Und Melisandre, die Rote Frau, welche dunkle Schatten in sich trägt und noch verheißungsvolle Folgen für den verbitterten Stannis bereit hält. Von Robb bekommen wir auch nur aus zweiter Hand berichtet, welcher seine Soldaten weiterhin gegen Tywin aufs Schlachtfeld führt. So viel, wie in Westeros momentan geschieht, verliert man auch nur selten einen Gedanken an die Schrecken hinter den Mauer, obschon Jon sich mitten im Gewimmel befindet. Nun drängt sich sein Kampf wieder weiter in den Vordergrund und wir wagen uns mit ihm immer tiefer ins dichte, eisige Gewühl. Dort findet er heraus, dass er Bran gar nicht so unähnlich ist. An der Stelle lässt sich Theon gut unterbringen, auf welchen wohl der geballte Hass der Leserschaft hageln wird, wenn sie das erste Mal den Auswirkungen seiner Eroberung zu hören bekommen.
Um noch kurz auf das Deckblatt einzugehen, welches das Wappen der Tullys ziert: Catelyn ist der Fels in der Brandung; sie strahlt weibliche Tugenden aus, ist Frieden stiftend und pragmatisch. Und dennoch sind es eben genau jene Eigenschaften, die sie leiden und dulden heißen. Ihr werden schwere Bürden auferlegt, ihr Winter ist eingetroffen. Und sie kann nur noch dafür Sorge tragen, dass ihre restlichen Kinder diesen überleben und zu ihr zurück finden. Ihr Charakter entspricht exakt ihrem Leitsatz: Familie. Pflicht. Ehre.
Auch Arya bleibt weiterhin im Fokus, wobei sie eine sehr lange Zeit in Harrenhal als Gefangene dient. Zufälliger Weise trifft sie auch wieder auf ihren alten Genossen Jaqen, der sich als jemand anderes offenbart, wie zunächst gedacht. Alle, die sich schon sehnlichst nach Dany und ihren Drachen gesehnt haben, werden ebenfalls nicht enttäuscht. Nachdem sie von Roberts Tod erfuhr, begann sie alle Kräfte zu mobilisieren, um schnellstmöglich nach Westeros zu gelangen. Dabei erlebte sie das ein oder andere Abenteuer.
So, aber nun erst einmal wieder ein kleiner Abstecher zu den Gedankenspielen. Sturmkap stellt die siebte Festung gegen die Götter dar, die Septe besteht aus sieben Wände und betet zu sieben Göttern. Die Zahl sieben in ihrer vom Mensch vorgesehenen Bedeutung symbolisiert Veränderung und umfasst sowohl die geistliche als auch weltliche Welt. Durch Melisandres Gott geht ein Umschwung einher, die alten, ursprünglichen Götter der Kinder des Waldes und derjenige der Septone stellen hingegen schon lange eine Konstante dar.
Weiterhin gib es 7 Königreiche, die einen König nach dem nächsten haben aufsteigen und fallen sehen, und momentan 7 anstrebende Könige, die da wären: Joffrey, Robb, Dany, Theon, Renley, Stannis und Manke Rayder. Aber noch ehe ich mir darüber ganz klar werden konnte, stieg die Sterblichkeitsrate erneut in Höhen, sodass zumindest ein König innerhalb eines Wimpernschlags ihren letzten Atemzug ausgehaucht hat. Dennoch, das alles ist zu verdächtig, um es nicht zu erwähnen. Und dass Tote nicht immer starr und unbeweglich bleiben, haben wir durchaus gewusst. Deshalb kommt es nicht ganz unerwartet, obwohl es überrascht, dass sie plötzlich aus dem Süden, nicht aus dem Norden erscheinen. Der Schatten Renleys treibt sein Unwesen wie zuvor Stannis seiner das gleiche tat.
Das Buch entfaltet nach wie vor seine Sogwirkung und weist seit der ersten Seite keinen stilistischen Bruch auf. Vor allem zum Ende des Buches verwandelt sich das Spielfeld jedoch in Richtung der Serienszenerie hin, da uns die blutigen Auswirkungen des Krieges persönlich vor Augen geführt werden, nachdem dieser Königsmund erreicht hat. Die taktischen, am Tisch oder im Verborgenen geschmiedeten Intrigen und Ränke müssen wir dennoch nicht missen, weshalb die Reihe nach wie vor grandios ist. Nur dass Herr Martin uns so lange im falschen Glauben bezüglich Bran und Rickons Schicksal gelassen hat, laste ich ihm in gewisser Weise an. Es ist schon arg grausam gewesen.