Feuer und Stein - Diana Gabaldon

Feuer und Stein - Diana Gabaldon 

´´Es ist wohl zweihundert Jahre her...´´ In den Hochlandgeschichten ist es immer zweihundert Jahre her, erklang Reverend Wakefields Stimme in meinem Kopf. Dasselbe wie ´´Es war einmal´´.“

Nebelumhüllte Berge, zerklüftete Felsen, Moore so weit das Auge reicht, satte Weiden und großflächige Wälder. Die perfekte Szenerie, um Kelten und Wikinger wieder auferstehen und Schlachten längst vergangener Zeiten Revue passieren zu lassen. Ein Land, um welches sich Mythen und Sagen so eng ranken, als dass eine Kulisse entsteht, die einen denken lässt, im Augenwinkel gerade das Monster von Loch Ness im Wasser verschwinden gesehen zu haben. Es wäre auch überhaupt nichts merkwürdig daran, eine Fee beim Sammeln von Pilzen zu überraschen, von Irrlichtern in die düstere Heide geführt zu werden oder Druiden in Ekstase bei einem Zeremoniell anzutreffen. Ein Schotte im Kilt, dessen Bart vom rauen Wind mitgerissen wird, das wettergegerbte Gesicht einem ernst entgegen starrend und die starken Beine fest auf dem Boden stehend, während die sturmumtosten, Regen verhangenen Wolken über dessen Kopf hinweg wehen, würde das Gesamtbild noch abrunden. Allzeit übt die magische und fesselnde Atmosphäre, die raue und wilde Natur eine anziehende Wirkung auf die Menschen aus. Nicht minder stark war sie auf Diana Gabaldon, die von den unverwüstlichen Hochländern sowie der üppigen Natur Schottlands fasziniert und hingerissen ist. Ihre Liebe zu diesem Land ist deutlich spürbar. Und so kam es, dass der Auftakt ihrer weltberühmten Highland-Saga „Feuer und Stein“ auch die Herzen ihrer Leser gefangen nimmt.

Es wird das Jahr 1945 geschrieben, das Ende des zweiten Weltkrieges liegt noch nicht lange zurück, das Leid ist noch allgegenwärtig. Manche Länder sind stärker betroffen als andere, und deshalb begibt sich das Ehepaar Randall nach der entbehrungsreichen Zeit, die sie fernab voneinander verbracht haben, nach Inverness, um ihre Ehe wieder aufleben zu lassen und sich anzunähern. Während ihr Ehemann Frank, ein Gelehrter und Intellektueller, gemeinsam mit Reverend Wakefield Ahnenforschung betreibt, versucht die ehemalige Krankenschwester Claire ihre Heilpflanzen-Sachkunde zu erweitern und begibt sich, verbringt sie ihre Stunden nicht gemeinsam mit Frank zusammen, in die Natur. Eine friedliche und alltägliche, nahezu idyllische Momentaufnahme wird einem gezeichnet, doch wie so oft sollte dieser Umstand nicht von langer Dauer sein. Das erste Indiz dafür erhielten wir, als die ältliche Haushälterin vermeintlich aus Claire‘s Hand liest und ihr prophezeit, dass sie die Kraft besitze, sich wieder aufs Neue zu verlieben. Diese Voraussage sollte sich schon bald bewahrheiten. Eines frühen Morgens schleift ihr wissbegieriger Mann sie aus dem Bett, um gemeinsam dem Ritual der Druidinnen beim Maifest auf dem sagenumwobenen Graigh na Dun mit seinem Steinkreis beizuwohnen. Auf diesen begibt sie sich gleich am nächsten Tag erneut, von der aufgeladenen Atmosphäre nicht kalt gelassen. Doch dieses Mal sollte sie nicht zurückkehren.

Bereits der Gedanke allein, in der Zeit zurück in die Vergangenheit reisen zu können, besitzt eine fast ebenso beflügelte und magische Wirkung auf uns, als wenn es wirklich geschähe. In unserer Phantasie überbrücken wir zusammen mit Claire die Schranken der Zeit und werden nicht nur in eine andere Kultur, sondern auch in ein anderes Jahrhundert eingeführt. Diana Gabaldon erweckt das 18 Jahrhundert wieder zum Leben, obwohl ich leider gestehen muss, dass die geschichtlichen Belange eher zweitrangig sind. Dabei stellt die Zeit, als die Schotten gegen die englische Gewaltherrschaft rebellieren und den zweiten Jakobitenaufstand planen, ein faszinierendes Thema dar. Das Hauptaugenmerk der Autorin liegt eher darauf, die höchst mögliche Anzahl an Abenteuern und vor allem an erotischen sowie später auch liebevollen Momenten einzubauen. Dies nimmt sie auch sogleich in Angriff, als Claire 1743 strandet und von dem englischen Dragonerhauptmann Jonathan Randall, Franks Vorfahr, der eine frappierende Ähnlichkeit mit diesem besitzt, landet, mit nichts bekleidet, als ihrem dünnen Sommerkleid, was geradezu skandalös anmutet. Dieser Meinung ist auch Randall, weshalb er erst dem Glauben verfällt, sie sei eine Dirne, derer er sich leicht bedienen kann. Der Umstand, dass gerade eine Schlacht tobt, scheint ihn wenig zu beeindrucken. Doch das ändert sich schnell, als er hinterrücks von einem mürrisch dreinblickenden Schotten, der sich später als Murtagh, einen treuen aber rauen Weggefäherten entpuppen sollte, außer Gefecht gesetzt wird. Ohne auf Claires Protest zu achten nimmt er sie kurzer Hand in Gewahrsam und treibt sie die entlegenen Pfade des Waldes entlang, bis sie spät in der Nacht in einer kleinen Kate angelangen, wo Claires unerwarteter Patient bereits seine Schmerzen ausstand. Aufgrund ihrer heilenden Fähigkeiten sollte sie sich schon bald verdient machen, nicht nur bei ihm, sondern auch auf der Burg Leoch, die im Besitz des Clans der MacKenzies ist.

Mit Skepsis und einiger Spannung habe ich dem Moment entgegengefiebert, in dem den Lesern endlich der Eroberer aller Frauenherzen begegnet. Ein Bild von einem Mann, ein Held, wie er buchstäblich im Buche steht. Sein Ruf eilt ihm voraus. Zumindest wurde mir zugeraunt, mein Herz sei danach für alle Zeit nicht mehr zulänglich und verdorben für andere Männer. Und es stimmt wohl, dass James alias Jamie Alexander Fraser ausgesprochen charmant und humorvoll, uneigennützig sowie aufopferungsvoll ist, nach Werten lebt, die gerecht sind, gleichwohl er ein hitziges Temperament und eine rebellische Ader besitzt, die sich im Laufe des Buches immer weiter Bahn bricht. Uns wird ein Mann gezeigt, der obgleich jung an Jahren sehr gebildet sowie in der Lage ist, auch über sich selbst zu lachen, der aber notfalls auch nicht damit geizt, ordentlich eine auszuteilen, um seine Familie und Unschuldige vor Unrecht zu bewahren. 

Am ausgeprägtesten ist jedoch sein unbändiger Drang, sich den lustvollen Genüssen hinzugeben, Damit meine ich nicht nur den Whisky und Wein, obwohl er ihnen nicht abgeneigt ist. Das nur fürs Protokoll. Auch Claire sollte bald von seinen umfassenden Vorzügen explizite Kenntnis erhalten, als Jamies Onkel Dougall die Hochzeit beider arrangiert, um Claire vor der englischen Gerichtsbarkeit zu retten, glaubte Hauptmann Randall doch, eine Spionin der englischen Krone vor sich zu haben. Dies war leider eine der wenigen Reaktionen, die ihre Fremdartigkeit am Anfang hervorruft, obwohl nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihr Auftreten nicht einer Frau des 18. Jahrhunderts entspricht und somit die perfekte Grundlage schafft, um mehr Aspekte in die Geschichte zu bringen. Dennoch mangelt es an realitätsgetreuen Darstellungen der damaligen Zeit nicht im Mindesten, ebenso wenig an liebevollen sowie humorvollen Momenten und einer Einführung in die schottische Sagenwelt, welche den Leser am Buch festhalten lassen.

Nach einer nicht sonderlich standhaften Weigerung erlangt Claire nun zur schottischen Staatsbürgerschaft und wird Clanmitglied der MacKenzies und Fraser sowie Frau eines Mannes, auf dessen Haupt von Randall ein Kopfgeld ausgesetzt wurde und der als Geächteter zählt. In ihrer Hochzeitsnacht sind diese Tatsache jedoch nicht weiter von Belangen. Der junge, schneidige Schotte ersehnte sich beinahe schon schmerzlichst, bei der Frau zu liegen, die er liebt, obwohl er sie das lange Zeit nicht wissen lässt. Und Claire, die bisher stets einen raffinierten und erfahren Liebhaber an ihrer Seite wusste, steht einem ungestümen, lernbegierigen jungen Mann gegenüber, für den es, wie es scheint, nichts besseres als den Geschlechtsakt gibt. Jede freie Minute überfallen sie einander wie Verdurstende, die sich nach dem erlösenden Tropfen sehnen. Meiner Meinung etwas zu viel Sex, erstreckt sich diese Tätigkeit doch fast das ganze Buch über. Zuweilen erschien es mir des weiteren auch, als fungiere der Akt als Allheilmittel und Gesprächslückenfüller, obwohl mir die Passagen, in denen Jamie von seiner Kindheit und Jugendzeit erzählt, um einiges mehr Wert waren. Zudem wäre es sehr willkommen gewesen, mehr von Claire zu erfahren, deren Vergangenheit verhältnismäßig kurz gekommen ist. Aber wem es gefällt, der kommt definitiv auf seine Kosten. Vor allem ab dem Mittelteil geht es brisant zu. Dadurch wird einem offenbart, weshalb das Buch nicht nur Stein (aufgrund des Monolithen), sondern auch Feuer genannt wurde: Weil die Liebe der beiden, ihr Zusammenleben ein großes, flammendes Inferno darstellt.

Die Frage, ob Claire jemals zu ihrem Ehemann zurückkehren kann oder wird, stellte sich mir eher selten, war dieses verzweifelte Verlangen von ihrer Seite aus doch nicht wirklich ersichtlich. Dafür war sie Jamie zu sehr zugetan und es geschah innerhalb des Romans zu viel, wodurch er ein elementarer Bestandteil ihrer selbst wurde. Vielleicht hätte es geholfen, aus Franks Sicht zu schreiben, noch einmal näher auf ihn einzugehen, seine kommenden Wege zu erläutern, um die Illusion glaubhaft aufrecht zu erhalten. Das tat sie jedoch nicht und deshalb bin ich recht gespannt darauf, was es im nächsten Buch diesbezüglich zu sagen gibt. Ihr armer Exmann tut mir dennoch zu arg leid, als dass ich Claire ihr mäßiges Hadern und zeitnahes Nachgeben so schnell vergeben könnte. Ein weiterer Knackpunkt war für mich ebenso der Gedanke, inwiefern Claires Verschwinden einen Einfluss auf die Zukunft nimmt. Ihr dämmerte dieser Umstand nur kurz, doch mir wollte er nicht mehr aus dem Sinn gehen. Diese Frage stellt wohl in allen Zeitreise-Romanen eine schwerwiegende Problematik dar, denn niemand weiß, ob ihre Handlungen bereits die Zukunft geformt haben und sich in dieser Hinsicht nichts ändert, oder ob ihr Fehlen und Einschreiten das Leben vieler Menschen auf den Kopf stellt. Diese Wechselwirkungsbeziehung stellt ein feines Getriebe dar und ich hätte mir sehr gewünscht, dass Diana Gabaldon in dieser Richtung mehr eingebaut hätte. Wer weiß, was noch kommen mag.

So werden die beiden von der einen Konfrontation in die nächste katapultiert, meist niemand anderen besitzend, der ihnen zur Seite steht, denn auch Ränkespiele in den eigenen Reihen stellen keine Besonderheit dar. Nun fängt Claire zudem langsam noch an, Schwierigkeiten bezüglich der Eingliederung zu empfinden. "Jamies Zeit war in mancher Hinsicht immer noch so unwirklich für [sie] wie ein Theater oder Historienspiel." Der Umstand, dass sie sich nicht mehr der industriellen Massenvernichtung Hitlers gegenüber stehend fand, sondern "nur" kleinere Scharmützel erlebt, lassen die neue Realität für sie in schwer greifbare Ferne rücken. Auch war es für eine Frau ihrer Zeit schließlich nicht mehr gängig, sich nach dem langen Krieg dem Mann unterzuordnen oder ihre Meinung hinter den Zaun zu halten, weshalb es mancher eins zu hitzigen Disputen kam. Die beiden stehen einander in nichts nach, was oftmals sehr amüsant zu lesen war. Ebenfalls kam Claires einer Fluchtversuch sie teuer zu stehen, brachte sie damit nicht nur sich, sondern auch alle anderen in Gefahr, was zum Teil der Auslöser für Jamie war, ihren Hintern mit dem Gürtel bekannt zu machen. Die Züchtigung erklärt er ihr im Nachhinein so, als dass er selbst die eine oder andere Bestrafung oder eine deftige Tracht Prügel gesetzt bekommen hatte, eben wegen seiner Flausen im Kopf und seiner ungestümen Unbeherrschtheit. Vor allem jedoch konnte er nicht mit ansehen, wie jemand seiner Ehefrau Gewalt antat. Daher kann man keineswegs behaupten, einen Frauen verachtenden, unterschätzenden und unterdrückenden Mann vor sich zu haben. Nein. Er würde alles für sie geben, alles für sie sein. Das ist früher häufig nicht der Fall gewesen.

Der Roman lässt sich ausnehmend gut lesen, leitet flüssig und leichtfüßig von Situation zu Situation weiter, spinnt den Lesern ein dichtes Bild, eine Szenerie, in die man nahezu hineingreifen kann, deren Hitze und Kälte man spürt, dessen Düfte in der Nase kitzeln. In den energie- und aktionsreichen Momenten spürt man das Adrenalin durch die Adern rauschen, das Herz schneller schlagen, wodurch die annähernd 800 Seiten federleicht lesen lassen. Auch fühlt man mit den Protagonisten, erlebt Liebe, Freundschaft, Leid, Hass, Schmerz und Rachsucht. Kurzum: Die ganze Palette. Auf der Gefühlsebene und der sprachlichen Gewandtheit nach ein wunderbar fesselnder Epos. Die Tatsache, dass Jamie Claire hätte zurück in ihre Zeit gehen lassen, ohne auf seinen eigenen Schmerz, das große Loch, welches dieser Schritt hinterlassen würde, zu beachten, beweist umso mehr, dass sie ihm teurer als sein eigenes Leben und Wohlergehen ist. Aber auch die letzten Seiten nehmen einen gefangen. Es schmerzt, den stets heiteren und gutmütigen Hochlandschotten nach der sexuellen und körperlichen Schändung dermaßen gebrochen zu erleben, nahe am Rand des Todes, bar jeglichen Kampfgeistes. Randalls Worte verfolgen ihn am Tag und bringen ihn um die Nacht. Nur mit Liebe, eisernem Willen und Sex (wer hätte es gedacht) war Jamies inneren Dämonen beizuwohnen und er verspürt wieder Hoffnung für das Kommende. Ich harre gespannt der Dinge.

 

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