Es heißt, dass die besten Menschen immer zu früh gehen, zu früh von uns scheiden, zu früh sterben. Und das stimmt. Solange man vom Alter absieht.

Sicher gab es unzählige von ihnen, die eines Märtyrers Tod gestorben sind und noch immer tun, von einer Krankheit dahingerafft oder von einem Unfall überrascht wurden, diejenigen, welche großes leisteten, wissenschaftliche und künstlerische Errungenschaften offenbarten. Aber was ist mit denjenigen, die nicht primär für die Gesellschaft, aber für unser Herz eine umso entscheidendere Rolle spielen? Deren Abwesenheit bemerkt man eher, intensiver, fühlt, wie wichtig sie einem waren und wünscht sich sehnlichst, sie noch länger hätten behalten zu können, mehr Zeit gehabt zu haben. All das Unausgesprochene, nicht Erlebte versetzt einen schmerzliche Hiebe. Die Freundschaft, Liebe existiert nicht mehr zwischen beiden Geliebten, Seelenverwandten oder Familienangehörigen, sondern nur noch im Hinterlassenen. Die gemeinsamen Erinnerungen, zuvor noch ein Trost, wüten in deinem Kopf, ein Orkan jagt den nächsten, Blitze treffen schmerzhaft ein,  immer wieder, frühere Szenarien fliegen an deinem inneren Auge vorbei, verwischen langsam zu Schemen, die Stimmen erschallen wie ein Echo, das immer leiser wird und langsam verklingt. Verzweifelt klammerst du dich daran, versuchst dich an vergangene Begebenheiten, alte Vorlieben oder Albernheiten zu entsinnen, doch da ist nichts. Nichts, als ein Wirrsal aus Farben, die sich hinter einem immer dichter werdenden Nebel regen. Erst vergisst man die Stimm-, dann die Augenfarbe. Du spürst, wie die geliebte Person dir immer weiter entgleitet, dir wie Wasser durch die Hände rinnt. Machtlos, das ist man, blickt man der Ewigkeit der Zeit entgegen, dem notwendigen Vergessen. 

Schlimmer noch. Der Verlust ist noch nicht lange her, du kannst dir die Reaktionen des anderen genau vorstellen, förmlich sehen, wie die Augen blitzen. Voller Erwartungen kommst du Heim, möchtest vom Geschehenen oder Gehörtem Berichten, oder du bemerkst etwas, dass dieser unter gar keinen Umständen verpassen darf, drehst dich um, um es ihm zu zeigen, glühst vor Aufregung und dann ist da niemand. Nur der Geist der Vergangenheit, der sich an deine Fersen heftet, dein ständiger Begleiter ist. Dieses Loch in deiner Brust, welches du kurzzeitig gestopft gewähnt hast, reißt wieder auf, so scharf und heftig, als hätte man dir diese Wunde erst frisch zugefügt. Verzweifelt schlingst du die Arme um dich, versuchst, die Hälfte, die von dir übrig geblieben ist, zusammen zu halten, nicht auseinander zu brechen. Es schmerzt so sehr, dass es einem schier um den Verstand bringen will. Doch man macht weiter, damit der geliebte Mensch nicht ganz sterbe, damit er noch ein Weilchen durch Einen fort lebt.

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