Es ist schon faszinierend, wie Apps uns auszusaugen vermögen und uns teils hinters Licht führen. Sie zehren unsere Batterie auf und lassen uns glauben, dass wir diese nur durch die Nutzung der App wieder aufladen können.
Wenn man beispielsweise auf Tellonym unterwegs ist, steckt man immer mehr Lebensenergie in die Antworten, welche man häufig seelenlosen Bots gibt. Diese Antworten führen meistens nicht zur Selbstreflektion, bringen dich oder andere nicht wirklich weiter. Nicht, dass nicht auch intelligente Fragen gestellt werden, doch man füllt diese selten mit genügend Gedanken. Am Ende sollen all die Tells nur Interesse an der eigenen Person suggerieren und das Selbstwertgefühl mit deren Anzahl verknüpfen, weshalb man immer mehr Zeit in diese Plattform investiert - dabei bekommen alle Nutzer über die Zeit genau die selben Fragen gestellt, auf welche häufig die selben Antworten gegeben werden. Es ist, als würdest du Münze um Münze in einen Spielzeugautomaten stecken, immer wieder mit dem Greifarm hineingreifen, ohne etwas zu gewinnen - und das geht Tag für Tag so. Fast kein anderes Bild bekommt die Spielehalle zu Gesicht. So hältst du mit aller Versessenheit daran fest, verbeißt dich daran und kannst nur schwer wieder loslassen - gleich einem Hund beim Tauziehen.
Ähnlich verhält es sich mit Snapchat. Immer und immer wieder werden schwarze Bilder verschickt, um die Anzahl an Flammen ins unermessliche steigen zu lassen. Es wird immer mehr auf Quantität statt Qualität gesetzt; es lässt dich in Konkurrenzkampf treten mit all den anderen nicht sichtbaren Flammen. Man hält Kontakt zu den Menschen aufrecht, die einem beinahe nichts bedeuten, um Informationen zu erhalten, die dir so viel Nährstoffe wie Zellulose bieten.
Auf Instagram sieht man den Aktivitätsbalken immer weiter in die Höhe sprießen, während das, was du ansonsten schaffst, zu seinem kleinen Häufchen zusammensackt. Man scrollt und scrollt, ohne dass der Geist wirklich anwesend ist. Vielleicht sieht man mal einen Beitrag, der das Blut zum Wallen bringt, weshalb man übereifrig darunter kommentiert und daraufhin eine ebenso ambitionierte Antwort erhält. Und selbst wenn die Meinung in Gestalt der Sachlichkeit höchstselbst erscheint - worum sich auch einige Nutzer, je nach Seite und Beitrag, sehr bemühen - gibt es immer jemanden, der sich angegriffen fühlt und dementsprechend mehr oder weniger reagiert. Je länger man in seiner kleinen Feed-Blase lebt, umso stärker tritt das zutage.
Es ist ein Prozess, der schleichend einsetzt, aber er zieht von statten und ehe du es dich versiehst, bist du geradezu ein Schatten deiner selbst, ein Schatten der Person, die du sein könntest. Statt dein Potenzial zu nutzen, schaust du dir lieber Bilder oder Videos an, beantwortest lieber nicht beachtete Fragen, füllst deinen Kopf mit dem Lärm anderer und überhörst diese leise Stimme, bleibst in deinem Körper stecken, weil du nicht mehr dazu kommst, über dich hinaus zu wachsen und anderen Gehör zu schenken.
Dabei ist es nicht so, dass nicht viele tolle Anreize im Netz sind, man seinen Horizont nicht immer weiter steigert, indem man sich andere Meinungen und Erlebnisse anhört und diese logisch sowie emotional einordnet. Indem man Kunst betrachtet und Bezüge zu dieser herstellt, davon inspiriert wird. Indem man schaut, was auf der Welt los ist, wie die Ereignisse unsere Umwelt beeinflussen und dann unser Meinungsbild prägen. Indem man sich konstruktive Hilfe sucht. Indem man sein eigenes Leben überdenkt, neu evaluiert.
Doch es fällt den meisten nicht leicht, das Relevante vom Unrelevanten zu unterscheiden und seine eigene Zeit sinnvoll zu nutzen. Es fällt auch nicht immer leicht, Verständnis, Logik und Offenheit in Debatten mitzubringen. Doch se wird der Geist irgendwann nicht mehr durch eine sanfte Brise belebt, sondern unter Asche begraben - der Asche der Gedanken, die du hättest entwickeln, der Projekte, die du hättest umsetzen können. Man nimmt sich häufig nicht mehr die Zeit, um innezuhalten und das Gelesene, Gesehene zu rekapitulieren und in ein größeres Bild einzufügen, oder um unser Verhalten zu reflektieren. Dabei sind wir Naturwesen - und Natur braucht Zeit, um etwas zu realisieren.
Zudem fängt Kreativität und Intelligenz ein Stück weit auch dort an, wo Langeweile endet. Deshalb sollten wir uns häufiger auch einmal die Zeit für die Dinge einteilen, die uns selbst als Personen und andere Menschen weiterbringen. Es gibt einige Menschen, die viel Zeit am Ende des Tages übrig haben. Lass sie uns nicht verschwenden. Ich weiß, dass Prokrastinieren häufig die einfachere Lösung scheint, doch es baut am Ende nur Stress auf, lässt unser Inneres womöglich zur Einöde verkommen.