Kabale und Liebe – Friedrich Schiller

„Laß mich die Heldin dieses Augenblickes sein.“ - Luise III;4

Resümee der Szene:

Völlig aufgelöst und hoffnungslos trifft Ferdinand seine Geliebte an, die während seiner Abwesenheit einen folgenschweren Entschluss gefasst hat. Doch er geht nicht auf ihre erschütterte Gemütsverfassung ein, strotzt vor Selbstvertrauen und Tatendrang, beseelt davon, seinen Plan in die Tat umzusetzen: Er will gemeinsam mit Luise fliehen, alle Banden kappen und ein neues Leben aufbauen. Schließlich hält ihn nichts mehr am Hofe, sein Vater, der Präsident, „wird alle Geschütze gegen [sie] richten“, ihn zwingen, Lady Milford zu ehelichen und dazu beitragen, dass er über das Geheimnis seiner finsteren Machenschaften, über die Taten, denen er seinen Posten verdankt, stillschweigen bewahrt. Flucht scheint also der einzige Weg. Seine Pflichtverletzung dem Volk gegenüber ist dabei für ihn zweitrangig, schließlich ist er in „feurige[r] Liebe“ entbrannt. Doch diese realitätsferne und unüberlegte Handlung, seine Fluchtutopie bestärkt Luise nur in ihrem Beschluss, ihn gehen zu lassen, ihn aufzugeben. Schließlich musste sie sich um ihren alten Vater kümmern, konnte ihm nicht das einzige Vermögen, welches er besaß, seine Tochter, herzlos rauben. Doch diese Einwände nimmt er auf die leichte Schulter, schlägt vor, den sechzig Jahre alten Mann und dessen Frau einfach mitzunehmen. Er sieht alles durch eine rosarote Brille, Luise aber, die vernünftig, zukunftsorientiert und einen ausgeprägten moralischen Sinn besitzt, kann nicht einfach so darüber hinweg gehen. Des weiteren führt sie aus, dass der Fluch seines Vaters ihnen hinterher gesandt werden würde, dass sie Flüchtlinge wären, „den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade hält“. Ihre Liebe ein Frevel. Und das ist für eine ehrfürchtige Christin wie sie unvorstellbar. Auch bringt sie traurig vor, dass sie kein Anrecht auf ihn vorzuweisen habe, dass sein Herz seinem Stand gehöre, sie dem Präsidenten - „einem Vater [-] den verlorenen Sohn wiederschenken“ wolle. Beweggründe, die eine emotionale Tiefe und Reife zeigen, welche die meisten Sechzehnjährigen nicht aufzeigen. Ferdinand übergeht jedoch ihre Einwürfe, hört nur das, was er vernehmen will: Sie gibt ihn auf. Er verfällt zunehmend in finstere Stimmung „steht still und murmelt düster“, verzerrt das Gesicht und nagt an seiner Lippe. Und nachdem sie ihn darauf hinweist, dass ihre Verbindung „die Fugen der Bürgerwelt auseinandertreiben und die allgemeine ewige Ordnung zugrund stürzen würde“, ihre Liebe ein Fehler sei und sie ihre Schuld bekennt, wird Ferdinand rasend, ergreift eine Violine, mit der ihr Vater den Lebensunterhalt bestreitet, und zerreißt die Saiten, „zerschmettert das Instrument auf dem Boden, und bricht in ein lautes Gelächter aus.“ Verzweifelt versucht Luise ihn aus seinem Wahn zu reißen, ihn zur Vernunft zu bringen, beschwört ihren Geliebten, sich auf sein Herz zu besinnen. Mit in den Augen glitzernden Tränen wünscht sie ihm eine adlige, hochwohlgeborene Frau, die seiner Liebe würdig sei. Mit zitternden Händen reicht sie Ferdinand zum Abschied die Hand, unfähig, ihm noch einmal ins Gesicht zu blicken. Auf die Frage, ob sie ihm nicht doch folgen würde, antwortet sie: „Meine Pflicht heißt mich bleiben und dulden.“ Ferdinand jedoch, der egoistisch und blind vor Wut ist, bezichtigt sie der Lüge, wirft ihr die „kalte Pflicht“ ihres Handelns vor. Langsam keimt in ihm auch der Verdacht, sie würde ihn betrügen, dass sie ihr Herz einem anderen Mann zu Füßen gelegt hätte. Da es Luise ihn nicht wieder an sich binden darf. Die seelische Lage Luises verkennend, droht er ihr, sollte sich sein Verdacht bestätigen, großes Unheil an. Die Intrige des Präsidenten und Wurm nimmt rasante Fahrt auf.

 

Ist Luise als Resignierende, Aufgebende zu charakterisieren? Werte Ferdinands Verhalten.

Angesichts der Tatsache, dass Luise letztendlich gehen lassen hat, ihn dazu bewog, sich von ihr abzuwenden, könnte man meinen, dass sie ihn aus eben jener Resignation aufgegeben und fallen lassen hat. Nach Ferdinands besitzergreifender, unbeherrschter und egoistischer Reaktion wäre es ihr auch nicht zu verdenken, da er weder sie als Person noch ihre Pflichten gesehen hat. Auch der Umstand, dass ihnen so viele Steine in den Weg gelegt worden sind, und noch mehr auf sie warten würden, Felskolosse aus Gestein, entmutigt Luise zutiefst. Beider Väter wollen ihre Verbindung nicht rechtskräftig sehen, was ihr genug Kopfzerbrechen bereitet, schließlich verbindet ihren Vater und sie eine innige Zuneigung. Durch Ferdinands unüberlegte, voreilig gefassten Entschlüsse, seine Ignoranz und Selbstbezogenheit werden ihre Zweifel auch nicht gemindert, denn ihre innersten Regungen treffen auf taube Ohren, wodurch ihr in allumfassender Deutlichkeit vor Augen geführt wird, dass sie nicht gehen kann, nicht zu ihm gehört. Der kleine schwelende Gluthaufen der Hoffnung in ihrer Brust erlischt. In gewisser Weise hat sie aufgegeben, an ihr eigenes Glück zu glauben, auf eine Zukunft mit ihm, aber vor allem hat sie sich ihrem Vater, dem Präsidenten und den Standesschranken ergeben. Dieser Weg ist viel schwerer für sie zu beschreiten, fast unerträglich, doch sie weiß, dass niemand eine Insel ist, sie Pflichten an ihr Zuhause, an ihre Familie binden, ebenso wie Ferdinand. Und tief in ihrem Innersten spürt sie instinktiv, dass sie vielleicht für ein paar Wochen, vielleicht Monate glücklich wären, die Realität sie jedoch einholen und entzweien würde, denn Ferdinand ist nicht für ein Leben wie ihres gemacht geschaffen. Also versucht sie das Richtige für alle Beteiligten zu tun, lässt ihn halb wahnsinnig vor Eifersucht gehen, nachdem sie ihm ihre edlen Gedanken und aufrichtigen Gefühle vorgebracht hat, überzeugt ihn nicht von ihrer Unschuld, als er sie der Lüge und des Treuebruchs bezichtigt. So sehr es auch schmerzt, sie hat erreicht, was getan werden musste und ihm dabei jedwedes weiteres Elend erspart, hofft, dass es so leichter für ihn wäre. Sein Hass wird ihn eher von ihr fernhalten, als wenn er voll umfassend und in Gänze das qualvolle Opfer, welches sie mit seinem Verlust erbringt, ihre Güte und Größe sehen und verstehen würde.

 

10.12.2018 Klasse 10

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