Jeder kennt es, ob von sich selbst oder von anderen: Man wird früh‘s vom Wecker aus dem erholsamen Schlaf gerissen und verspürt daraufhin das unbändige Verlangen, die Zeit um ein paar Stunden zurück drehen zu können oder den Störenfried an die Wand zu werfen. Da dies uns jedoch nicht hilft, stehen wir auf. Jetzt heißt es, der süßen Welt der Träume den Rücken zu zudrehen, um stattdessen der harten Welt der Realität entgegenzutreten. Kurze Zeit hängen unsere Gedanken den Abenteuern und Freuden der letzten Nacht hinterher, ehe sie zu den Pflichten des Alltags herüber schweifen. Fast meine ich sehen zu können, wie die Motivation der meisten sich in diesem Moment dem Nullpunkt nähert. Dabei scheinen wir jedoch immer wieder auf‘s Neue einen wichtigen Punkt zu übersehen: Was wäre, wenn keine Pflichten mehr auf uns warten würden? Wie so viele setzte auch der indische Dichter Rabindranath Tagore sich mit den Themen „Handeln“, „Traum“, „Leben“ und „Pflicht“ auseinander, und schaffte es, die Aussage „Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht“, positiv enden zu lassen, indem er in der letzten Verszeile weiter ausführte, dass unser Handeln den Ausschlag gibt, ob die Pflicht sich nicht in Freude wandeln kann. Damit erschuf er einen denkwürdigen Aphorismus, den viel mehr Menschen zu Herzen nehmen sollten. Die Gründe möchte ich wie folgt darlegen.

Zunächst einmal muss die Frage, weshalb Träume in uns so wohlige Gefühle auslösen (sieht man von den Alps ab), beantwortet werden, ehe wir uns damit auseinandersetzen können, weshalb auch Pflichten im Leben dazu in der Lage sind. Ob man sich am nächsten Morgen an seine Träume erinnert oder nicht, kehren sie dennoch jede Nacht wieder und helfen einem, die gesammelten Informationen und Gefühle der letzten Zeit zu verarbeiten und damit umzugehen. Die Anspannung und Ängste fallen für ein paar Stunden von einem ab. Oft kommt es vor, dass uns unser Unterbewusstsein durch wirre, einfache, in dem Moment meist nicht zu deutende Träume einen Augenblick der Erholung schenkt oder uns Tipps und Hilfen für den Alltag zukommen lässt. Durch sie können wir Menschen „am nächsten Tag wieder offen für das Neue“ sein, das „auf [uns] einströmt.“ So zumindest äußerte sich der Mönch Amseln Grün in seinem Buch. „Im Traum können wir erkennen, was unserer Seele gut tut.“ Das ist der Grund, weshalb wir noch ein wenig länger in dieser wundersamen Welt verweilen wollen. Das ist jedoch auf Dauer nicht möglich, das viele Dinge gemeistert werden wollen, und so gelangen wir nun zu den Pflichten im Alltag.

Überall begegnen sie uns. Angefangen am frühen Morgen, bis hin zu dem Moment, in welchem wir unseren Kopf am Abend auf das Kissen nieder betten und einschlafen. Im Wörterbuch wird der Begriff „Pflicht“ als „Handeln, dem man sich aufgrund bestimmter Normen/ Vorschriften nicht entziehen kann“, definiert. Und das stimmt wohl auch, obwohl der Aspekt viel mehr umfasst. Zunächst kann man sie in zwei Kategorien untergliedern: 1. Auferlegte und 2. Selbstgewählte Pflichten.

Als Beispiel der auferlegten Verpflichtungen kann man die Schule aufs Feld führen. Diese wurde uns Jugendlichen und Kindern vom Staat auferlegt. Wir Schüler haben jeden Morgen im Schulgebäude aufzutauchen und zum Unterricht zu erscheinen. Sollte es uns dafür zu schlecht gehen oder andere schwer wiegende Angelegenheiten sollten dazwischen kommen, besitzen wir dennoch die Verantwortung dafür, unser Fehlen im Sekretariat zu melden und all das an diesem Tag gelernte nachzuholen. Während des Unterrichts sollen wir stets unsere Materialien und Hausaufgaben bereitliegen habe, und durch aufmerksames sowie stilles Zuhören dem Lehrer Respekt erweisen. Zudem wird von uns gefordert, nach dem Stellen einer Frage, rege am Unterricht teil zu nehmen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist dabei auch das Vorbereiten auf die nächste Stunde sowie das Lernen für Klausuren. Wie intensiv wir das tun und welche Auswirkungen unser Handeln auf unser Leben hat, greife ich zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf. Letztendlich sind alle Regeln und Verpflichtungen, an welche wir uns halten müssen, in der Schulordnung niedergeschrieben. Sicherlich erinnern Sie sich genau an all das, selbst wenn Ihre Schulzeit längst vorbei sein sollte. Oder Sie kennen es von Ihren eigenen Kindern, aus dem Berufsleben beziehungsweise von ihren Freunden oder Verwandten.

Ein weiteres wichtiges Gebiet, welches von Pflichten wimmelt, ist das Familienleben. Von Kindesbeinen auf lernen wir, auf unsere Eltern zu hören und ihnen Respekt zu zollen. Taten wir dies nicht, wurde einem auch Mal der Hintern versohlt, oder man bekam Stubenarrest. Je älter wir werden, desto mehr Pflichten erwarten uns. Diese beginnen schon bei der Hilfe im Haushalt: Den Geschirrspüler ausräumen, das Wohnzimmer auskehren, wer kennt es schließlich nicht? Auch den pelzigen und schuppigen Familienmitgliedern gegenüber besitzt man Verpflichtungen: Das Bürsten, Spazierengehen und Füttern zählt nur zu einen der wenigen. Und so häufen sie sich an, bis sie ein wahrer Berg an Aufgaben werden. Und die Erwachsenen haben sie um ein vielfaches mehr. Aber die allerwichtigste und heiligste Obliegenheit, welche wir, ob Kind oder Eltern, Großeltern, Onkel, Tante und alle anderen Familienangehörige, nachkommen müssen, ist die, einander zu lieben. Viele Menschen sehen diese nicht als solche an, nehmen es als etwas Selbstverständliches an (sofern die Familienverhältnisse gut sind), und dieser Umstand ist auch gut so. Dennoch ist es eine. Sie stellt ein perfektes Beispiel dafür dar, dass Pflichten ebenso Freude bereiten können. Auch darauf komme ich zu einem späteren Zeitpunkt zurück.

Nachdem ich so viel über auferlegte Verpflichtungen erzählt habe, muss notwendigerweise auch das Thema der selbstgewählten angeschnitten werden. Über diese gibt es ebenfalls einiges zu referieren, obschon sie je nach Individuum und Beschaffenheit der Gedanken variieren. Meist gehen sie Hand in Hand mit der Selbstverwirklichung oder dem Freudebereiten anderer. Für Menschen, die unheimlich gerne neue Kontakte knüpfen, ist es unerlässlich, dementsprechend viel mit anderen zu unternehmen, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Für manch einen angehenden Musiker ist es sein täglich Brot, sich immer weiter zu steigern und seine Spielweise zu verbessern sowie neue Texte einzustudieren. Ebenso verhält es sich mit werdenden Autoren, denen an nicht viel mehr gelegen ist, als die Phantasie ins unermessliche zu steigern, den Schreibstil zu vervollkommnen und ihre Meinung zu verfeinern. Für sportlich veranlagte Personen hingegen gehört es vielleicht zu ihrem Gebot, ein paar Kilometer täglich zu joggen, Gewichte zu stemmen und ihre Leistungen zu steigern, um Rekorde zu brechen. Und eben genau so läuft es immer weiter, findet kein Ende. Etwas haben aber all diese Beispiele gemeinsam: Vor allem unser Handeln entscheidet letztendlich darüber, wer wir sind, und wie gut wir uns in unserem Bereich schlagen.

„Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“ Dieser Behauptung Marc Avrels stimme ich vollkommen zu. Am Ende liegt es allein an uns, ob wir es zu etwas bringen oder nicht (Sieht man von manch äußerliche Widrigkeiten ab). Unsere Gedanken bilden das Fundament des Hauses, welches wir zu bauen gedenken. Allerdings würde ich weiter gehen und sagen, dass allein unser Handeln zeigt, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Ebenso wie bei einem Haus müssen wir Stein auf Stein anheben und zu einem Ganzen zusammenfügen. Stück für Stück. Worte können besitzen zwar eine unermessliche Macht und die richtigen können einiges erreichen, doch sind wir keine Zauberer, die mit ihnen auch zugleich zum Handeln in der Lage sind.

So legen wir selbst Hand an. Es fängt just in dem Moment an, da wir das Licht der Erde erblicken und in den ersten Minuten lernten, zu atmen. Und immer mehr kam in den Folgejahren hinzu. Aber wie viel wir vom Leben mitnehmen und daraus lernen, liegt nur an uns. „Die einzige Möglichkeit, etwas vom Leben zu haben, ist, sich mit aller Macht hineinzustürzen.“, womit Angelina Jolie weitestgehend richtig liegt. Wenn wir unserem späteren unserem Dasein eine Bedeutung beimessen oder erfolgreich werden wollen, reicht es nicht aus, nur das Nötigste zu erledigen. Der gute Wille bedeutet nicht so viel, erhält er nicht den Beistand der Umsetzung. Je intensiver wir unsere Verpflichtungen ausführen, desto größer sind unsere Erfolgschancen. Und aus dem Erreichen unserer Ziele entspringt der Stolz auf das, was geleistet haben. Denn dadurch wissen wir, dass all die Mühe und harte, die wir dort hinein investiert haben, sich gelohnt hat. Eben so wurde aus Pflicht Freude. Und damit bin ich an meinem letzten Punkt angelangt.

„Pflicht: Wo man liebt, was man sich selbst befiehlt.“, wie Goethe eins Verlauten ließ. Diese Liebe zur Pflicht kann sich zweierlei ausdrücken. Bei der einen Art handelt es sich um die Erfüllung zum Wohle anderer, und bei der zweiten um Selbstverwirklichung. Zunächst zu der ersten Kategorie etwas. Wer kennt es nicht, obschon es eher selten vorkommt. Nach einem langen, harten Arbeitstag kommt man Nachhause, möchte sich eigentlich nur noch in aller Ruhe hinsetzen und Feierabend machen, doch das ist nicht möglich, da die Küche aufgeräumt und die Wäsche aufgehangen werden muss. Bei diesem Gedanken sinkt die Laune in den Keller. Man zieht nun die Tür demotiviert auf, und siehe da, alles erledigt! Dein Lebenspartner, deine Freunde bzw. deine Eltern haben dir unter die Arme gegriffen, damit du dich den Rest des Tages einfach ausklinken und die Seele baumeln lassen kannst. Daraufhin durchströmt einen ein tiefes Gefühl der Zuneigung, weil dir jemand, der dir viel bedeutet, deine Order übernommen hat, um dir eine Freude zu bereiten. Selbstredend funktioniert das andersherum auch ganz prächtig. Das Aufstrahlen des Gesichtes der Person dir gegenüber entlohnt dich für die zusätzlich übernommenen Mühen. Bestimmt kennst du den Ausspruch: „Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Obschon diese Aussage nicht allgemeingültig ist, trifft sie in dieser Situation durchaus zu. Ein Teil der empfundenen Freude ist auch auf dich übertragen worden.

Laut dem MDR-Jump Umschau Quicktipp zählt zu eine der häufigsten Streitursachen in einer Beziehung der Umstand, dass ein Partner die Wohnung nicht aufgeräumt hat. Innerhalb dieses Quicktipps wurde festgestellt, dass es keineswegs die Unordnung ist, welche die Liebenden stört. Sie sehen diese eher als Zeichen dafür an, dem anderen nicht so viel zu bedeuten. Damit wurde verdeutlicht, dass schon durch kleine Gesten, wie eben das Reinigen der Wohnung oder das Zubereiten des Essens deine Wertschätzung deinem Gegenüber bewiesen wird. „Das einzig wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“ Und wenn ihr es ebenso wie Albert Schweitzer haltet, sollten ein paar weitere übernommene Aufgaben kein allzu großes Problem darstellen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir warme Zuneigung und Dankbarkeit empfangen.

Nun wende ich mich dem zweiten Punkt, der Selbstverwirklichung, zu. Ein weitschweifiges, sehr individuelles und höchst faszinierendes Gebiet, da jeder Mensch einzigartig ist und andere Interessen sowie Wünsche besitzt. Je nach Ehrgeiz und Zielstrebigkeit kommen wir dem Gegenstand unserer Pflichtsetzung näher. Und wenn wir diesen erreicht haben, sind wir von Euphorie und purem Stolz erfüllt. Sei es nach hartem Lernen für einen Test die dementsprechende Note zu erhalten, nach intensiven Trainingseinheiten Fortschritte zu bemerken oder nach langer Arbeit an einem Gemälde oder Gedicht/Text Zuspruch zu bekommen. Es stärkt unser Selbstbewusstsein ungemein und hilft, uns selber mehr Wertzuschätzen. Wir reifen an unseren Aufgaben, entwickeln uns weiter und wachsen über uns hinaus. Das größte Projekt, an welchem wir jemals arbeiten werden, sind wir selbst, denn aus uns kann noch so viel mehr Gutes entspringen, setzen wir unsere Anlagen nur richtig ein. Ohne Pflichten könnten wir all das nicht schaffen. Sie geben unserem Leben eine Struktur. Außerdem verlangen wir, wie Hermann Hesse richtig bemerkte, „das Leben müsse einen Sinn haben -aber es hat nur genau so viel Sinn, als wir selber ihm zu geben imstande sind.“

Und eben das sind die Gründe, weshalb Tagores Aphorismus so voller Wahrheit, vor allem aber Weisheit steckt. Weil dieser all die von mir genannten Aspekte zum Ausdruck bringt, lediglich in ein paar Worten zusammengefasst. Nach reifen Überlegungen werden sich einem auch noch weitere erschließen und offenbaren. Und wenn man diese erst einmal erkannt und akzeptiert hat, bietet sich einem ein Weg voller Möglichkeiten. Ob Sie nun diese Meinung teilen oder nicht, hoffe ich dennoch, Sie zum Nachdenken angeregt und ihre Sichtweise erweitert zu haben. Mir hat der Aufsatz geholfen, mich selbst etwas besser kennenzulernen und ich hege den Wunsch, dass es Ihnen ebenso geht. Worte besitzen die Macht, uns zu verändern.

Klasse 9, September 2017

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