Kritik am gängigen Schulsystem – Teil 1
45-Minuten Arbeitstaktung, Klausurenstress, Freizeitraub, Informationsüberflutung, Dauervergessen, Einschränkungen, prähistorische Gebäude und Ausstattungen, Konkurrenzkampf, Desinteresse, Passivität, Überforderung. Und womit haben all diese Begriffe etwas gemeinsam? Genau: Mit der Schule, einem Thema, welches schon lange Zeit in den Medien, aber auch akut in den Klassenräumen präsent und heiß diskutiert ist.
An vorderer Front dreht sich der Streit darum: Wir lernen sehr viel, um das Wissen für Tests abrufbereit zu haben, um es danach schnell wieder zu vergessen, damit Platz für Neues geschaffen wird; die Bezeichnung dafür lautet Bulimie-Lernen. Und bei dem ganzen Ansturm bleibt kaum Zeit, uns mit dem Gehörten, Gelesenen, Demonstrierten oder Abgebildeten – meistens jedoch mit dem Gehörten oder Gelesenen - richtig auseinander zu setzen. Ganz zu schweigen davon, dass man ungefähr 70% des Unterrichts lediglich passiv dasitzt und sich „berieseln“ lässt/ lassen muss – zumindest ist dies bei den meisten Schülern der Fall. Daraus lässt sich schließen, dass diese meistens keine Verknüpfungen zu bereits bekannten Informationen – sofern wir uns u.a. früheren Stoff gemerkt haben - herstellen können, wodurch das Gelernte schnell wieder aus dem Kopf entschwindet bzw. nur in unserem Unterbewusstsein abgespeichert wird. Noch schöner: Nach dem Abitur, im Laufe der Jahre, bleiben uns nur etwa 1-5% des Gelernten erhalten – wozu lernen wir es dann? Können Sie noch genau sagen, was im mathematischen und geschichtlichen Sinne unter dem Limes verstanden wird? Was die Magna Charta beinhaltet und in welchen Zeitraum sie einzuordnen ist? Wann J.S. Bach in welchem Ort gelebt hat, in chronologischer Reihenfolge aufgelistet? Können Sie mir auf Anhieb sagen, was van der Waals Errungenschaft gewesen ist? Wie lautet das Distributivgesetz? Was ist ein Zeugma? Auf die meisten Fragen zucken Sie lediglich mit den Schultern, obwohl Sie es einst gelernt haben? - Verständlich. So wie wir Wissen vermittelt bekommen und lernen müssen, ist es ziemlich ineffektiv, zeitraubend und frustrierend, wobei natürlich eingeräumt werden muss, dass wir dadurch unser Gehirn schulen, weil wir für einen gewissen Zeitraum ziemlich viele Informationen aufnehmen und einprägen müssen – auch Informationen, die uns (vielleicht) nicht interessieren. Letztendlich lernen wir in der Schule, wie man schnell Wissen aufsaugt; wir trainieren unser Gedächtnis.
Begeisterung, Neugier und Einsatzbereitschaft hingegen werden bei den meisten nur selten geweckt, was bedauernswert und fatal ist, da ein jeder von Natur aus wissbegierig ist; schlimmer ist jedoch, dass diese Eigenschaft beinahe verloren geht, weil wir lediglich plump die Fakten lernen müssen. Wenn ein Lehrer nachhakt, ob wir noch weitere Fragen besitzen bzw. etwas nicht verstanden haben, meldet sich so gut wie niemand, was teils an der Angst vor dem Spott anderer, aber insbesondere daran liegt, dass dieses schnöde, zu nichts führende Lernerei vielen Menschen diese Eigenschaft austreibt – zumindest in der Schule. Ich bemerke selbst manchmal, dass ich etwas lese und dann nicht weiter darüber nachdenke - dabei ist genau dazu ein Buch und Wissen im allgemeinen nicht da. Aber genau das wird uns großteils beigebracht – wie man auswendig lernt, ohne viel nachzudenken; was wir tun müssen, sind Fakten zu rekapitulieren und abzuspulen, ohne diese zu bewerten. In Deutsch, Sozialkunde, Ethik und Geschichte wird manchmal mehr gefordert, doch davon muss man nicht in jeder Stunde ausgehen. Und so lange man für das Recherchieren/ Lesen/ Lernen keine Noten erhält, ist das Wissen den meisten egal– Um Himmelswillen, oftmals erhalten wir von den Parallelklassen die Testaufgaben und lernen die Antworten lediglich auswendig (manch einer bereitet ein präpariertes Blatt vor), was eigentlich nicht der Sinn und Zweck des Lernens ist, aber leider die Realität darstellt: Es wird nicht um des Wissens Willen gelernt, sondern um gute Noten zu erhalten, wodurch das Lernen verzweckt wird – ein eindeutiger Fehler des Systems. Wir tun so viel für Noten, die nie objektiv sind und häufig nur wenig Gehalt besitzen. In der Grundschule bekamen wir neben diesen elendigen Ziffern wenigstens noch Bewertungen bezüglich unserer Fähigkeiten und Bemühungen, was viel mehr über uns aussagt; ab der fünften werden kalte Noten verteilt, die durch viele verschiedene Faktoren entstanden sein können: Wie sehr uns der Lehrer zugetan ist, ob wir Nachhilfe nehmen oder Unterstützung von Zuhause erhalten, wie hoch die Anforderungen waren, Stimmungsschwankungen des Lehrers sowie von unserer Seite aus, ob wir spickten oder die Aufgaben vorher erhielten, wie viele Fehlstunden man selbst und der Lehrer besitzt, wie gut wir uns Fachwissen merken, wie wir mit Druck umgehen, psychische Probleme, Hitze, Lehrerwechsel etc. Das sind so viele Variablen, die letztendlich nicht zu sehen, aber dennoch vorhanden sind, so viele Variablen, die nur indirekt – wenn überhaupt – etwas über unser Können aussagen.
Dazu kann ich aus eigener Anschauung ein Beispiel nennen: Im Unterricht sprechen wir unsere zweite Fremdsprache äußerst selten und da sie im Alltag ebenso wenig Gebrauch findet, verkümmern unsere erworbenen Kenntnisse – Sie kennen das vermutlich; wir können die Sprache weder verstehen noch prononcieren. In produktiven Stunden, die rar gesät sind, füllen wir eine Arbeitsheftseite in Einzelarbeit aus (zumindest war das mit unserer Lehrerin Gang und Gäbe; es gibt durchaus auch kompetentere). Insgesamt wird uns sehr wenig beigebracht – obwohl wir immer Klassenarbeiten schreiben, die von Klett konzipiert wurden und einem ganz anderem Niveau entsprechen – sodass wir nach 6 Jahren Russisch-Unterricht genau vier Sachen mit 100%iger Sicherheit wissen: Wie ein hartes, weibliches Adjektiv dekliniert wird (-ая, -ой, -ой, -ую, -ой, -ой), dass die Substantive (m, w, s) im sechsten Fall auf „e“ enden, dass wir unsere kostbare Zeit in einem schwindelerregendem Umfang verschwendet haben und uns diese Sprache absolut vergällt ist. Von allem, was uns in diesem System beigebracht wird, zählt das Erlernen einer Fremdsprache zu den nachhaltigsten und nützlichsten Kompetenzen – doch selbst diese wird einem genommen. Nach dieser entrüsteten Ausführung sind Sie sicher zu dem Schluss gelangt, dass wir furchtbare Russischnoten auf dem Zeugnis stehen haben: Das wäre logisch, entspricht aber nicht der Wahrheit. Unser Durchschnitt liegt bei einer soliden 2,8. Und dass ich die 1 bekomme anstelle von der Muttersprachlerin in unserer Klasse, welche fast fließend Russisch spricht und schreibt, ist auch vollkommen folgerichtig – einfach lachhaft! Nicht zu vergessen: Als fünftes können wir nach einem halben Jahr kontinuierlichen Lernens sagen: Я хочу стать +Instrumental. Ich möchte ... werden :
Ohne eine Gegenleistung in Form von Ziffern im Rahmen von 1-6 beteiligt sich fast keiner am Unterricht, nur wenige hören zu oder informieren sich zusätzlich - was ebenso an der uninteressanten, desolaten Herangehensweise liegt sowie an der Stofffülle. Wenn uns ein Thema jedoch einmal brennend interessiert, besitzen wir nicht die nötige Zeit, selbst nachzuforschen. Oder wenn wir aus Eigeninitiative recherchieren und stattdessen ein Thema, welches uns nicht liegt bzw. nicht interessiert, lediglich stiefmütterlich behandeln, werden wir bestraft (in Form von schlechten Zensuren)/oder mit Tadel bedacht und demotiviert, was einen großen Fehler darstellt – wir Schüler werden nur auf unsere schulischen Leistungen reduziert. Das ist ein weiterer Nachteil des auf Noten fixierten Systems – eigentlich gehören sie abgeschafft und anstelle dessen sollten Bewertungen eines jeden einzelnen treten. Eigene Interessen und Leidenschaften können dadurch nicht richtig verfolgt bzw. gefunden werden. Warum man sich trotzdem um gute Zensuren bemüht? - Um für den späteren Werdegang viele Möglichkeiten, gute Chancen zu besitzen und gegebenenfalls das zu tun, was einem Freude bereitet, den Beruf zu ergreifen, der einen erfüllt (wozu man an manchen Fakultäten den NC erfüllen muss - ebenso unfassbar und Potenzial verschwendend). Also lässt man seine Interessen schleifen, schließlich müssen Hausaufgaben erledigt werden, Tests stehen an und - natürlich – müssen wir den Unterricht vor- und nachbereiten, sodass unser ganzer Tag vollkommen getaktet ist. Nicht wenige Schüler sitzen länger an ihren Hausaufgaben oder am Lernen, als ihre Eltern arbeiten. Und wenn wir etwas mehr für die Schule tun, sitzen Stunde um Stunde an den Aufgaben, fragen die Lehrer erstaunt, weshalb die Zeiten immer weiter in die Höhe steigen, da man eigentlich nur eine Stunde an den Aufgaben sitzen sollte, stattdessen gibt es Leute, die allen ernstes bis spät in die Nacht aufbleiben und am nächsten Morgen gerädert sind - dabei ist die innere Uhr eines jeden unterschiedlich eingestellt, was den frühmorgendlichen Unterricht für sie erschwert. Manche schauen uns sogar an, als ob wir minderbemittelt wären, schließlich sind die Aufgaben nur ungenügend erledigt, der Durchschnitt ist zu schlecht usw.. Traurig ist auch, dass oftmals nur die guten Schüler weiter motiviert und angespornt werden; den anderen wird gesagt, dass sie das Abitur nicht schaffen (auf den Gymnasien) – doch die Lehrer unternehmen nichts dagegen; es kam auch schon vor, dass ein Lehrer Schüler und deren Familie als „intellektuelle Flachbrettbohrer“ beschimpfte. In diesem System haben nur diejenigen eine solide Chance, deren Eltern sie antreiben und dem „Bildungsbürgertum“ angehören (zumindest oftmals), diejenigen, welche Informationen schnell verinnerlichen oder diejenigen, welche sich selbst anspornen können, da die Themen sie selbst wirklich faszinieren. Dadurch wird so viel Potenzial nicht gefördert!
Allerdings haben sie nur bedingt dienlichere Voraussetzungen: Zwar schneiden sie in der Schule besser ab, doch während sie permanent „büffeln“, also ihre Hausaufgaben voller Fleiß erledigen, den Schulstoff vorarbeiten oder für den nächsten Test lernen, entwickeln andere Menschen richtige, wertvolle Fähigkeiten (denn das Meiste, was wir in der Schule lernen, vergisst man wieder; Herr R. D. Precht verglich das in dieser Form: „Wissen, wie man es tut“ zu „Können“) – der eine programmiert, der andere reitet, manche können super zeichnen, sind einwandfrei in Sport oder im Tanzen, wiederum ein anderer liest und schreibt unentwegt wohingegen der nächste versucht, ein kleiner Mozart oder Chopin zu werden (oder andere neuzeitliche Musiker, die u.a. nicht vollkommen von der Gesellschaft entdeckt wurden); dann gibt es diejenigen, welche sich an Kants „Kritik an der reinen Vernunft“ wagen, Leute, die sich für die Stringtheorie oder die Klimakrise begeistern, sozial sehr engagiert sind (und dieses Wissen auch wirklich verinerlichen)– oder man administriert eine Website. Es gibt so viele Tätigkeiten, denen man mit Inbrunst nachgehen kann, aber man lässt uns keine Zeit dafür, ganz zu schweigen von der fehlenden Unterstützung und Anerkennung.
Eigentlich sollte das Potenzial unserer Wissbegier, unserer Selbstständigkeit gefördert und trainiert werden, ebenso wie die Kreativität und Individualität eines jeden unterstützt werden sollte, da dies nicht nur effizient zum richtigen Lernerfolg beiträgt, Freude bereitet und Intelligenz fördert, sondern auch hilft, dass wir uns selbst besser verstehen – ein nicht zu unterschätzender Aspekt, insbesondere während der Pubertät. Zudem stellen Eigenmotivation und Selbstständigkeit später einen elementaren, wichtigen Teil unseres Lebens dar. Ein paar Lehrer sagen, dass wir es niemals wieder so gut wie in der Schule haben werden, da uns alles mundgerecht vorgekaut wird und wir nichts selbst organisieren müssen – doch eigentlich sollten sie uns eben das in der Schule beibringen! Dass all das nicht umgesetzt und praktiziert wird, liegt unter anderem an dem überquellenden Lehrplan und daran, dass das Schulsystem überhaupt nicht auf uns (oder auf die Lehrer) zugeschnitten ist und sich nicht genügend mit den Individuen befasst – eindeutiger Konformitätsdruck. Es gäbe nicht einmal genügend Lehrer, die sich an den Interessen, Bedürfnissen, Schwächen und Stärken eines jeden einzelnen orientieren, sie unterstützen und begeistern können. Mit viel Glück sitzen lediglich 20 Schüler in einer Klasse, mit Pech 30, und Sie müssen nicht raten, welche Wahrscheinlichkeit höher ist. Rund 10000 Lehrkräfte fehlen mittlerweile in Deutschland und wenn die Quereinsteiger, Pensionäre und Studenten nicht berücksichtigt werden, steigt die Zahl auf 35000 an (stand 2018). Das kann ich nur bestätigen: 1/3 der Lehrerschaft des Gymnasiums, welches ich besuche, wird bis 2022 in Rente gehen, viele werden im nächsten Jahrzehnt folgen; Lehrkraftanwärter werden nicht vollständig eingestellt, Referendare nicht an der Schule behalten – weil u.a. das Geld fehlt. In Grundschulen gehen 40% der Lehrer bis 2030 in Pension, also müssen 60000 Arbeitsstellen neu besetzt werden. Da diese unzähligen Plätze fehlen und so schnell nicht gefüllt werden können, bedeutet das, dass überarbeitete Lehrer von ihrem Ruhestand abgehalten werden, Pensionäre womöglich erneut unterrichten müssen – eben jenes Szenario gab es auch an unserer Schule; die Pensionäre wurden angeworben, sollten jedoch den Gehalt eines Anfängers erhalten, weshalb diese absagten. An anderen Schulen kommt es deshalb häufig zu Ausfällen – Dies könnte ein Segen sein, da man seinen Interessen nachgehen kann, sofern der nicht vermittelte Stoff irrelevant für beispielsweise die BLF oder das Abitur wäre, was nicht unbedingt der Fall ist (und nicht für jeden ist es wichtig, sich weiterzubilden, etwas produktives zu tun, wenn wir ehrlich sind).
Daher stehen diese Lehrer daraufhin (aber auch im Normalfall) unter ständigem Druck, den Lehrplan bis zum Ende des Schuljahres abzuarbeiten, was manchmal dazu führt, dass sie recht gereizt reagieren oder gedanklich ganz wo anders sind. Dieser ganze Stress führt auch dazu, dass diese Menschen Psychisch angegriffen sind, weshalb sie häufig verfrüht in den Ruhestand wollen (und ggf. gehen) – vollkommen gleichgültig, ob ihnen deshalb etwas von ihrer Rente abgezogen wird, schließlich ist die Gesundheit wichtiger. Sie sitzen bis spät in den Abend, manchmal bis in die Nacht hinein am Schreibtisch, um ihr Pensum zu schaffen (insbesondere bei Fächern wie Deutsch, Sozialkunde, Geschichte, Fremdsprachen). Es kam sogar mehrfach vor, dass ein Lehrer so durch den Wind war, dass er das ein oder andere Mal eine viertel Stunde zu spät kommt oder eine halbe Stunde von Dingen erzählt, die nicht im Mindesten mit dem zu vermittelnden Stoff zusammenhängen. Die Demotivation ist also eindeutig nicht nur bei den Schülern spürbar. Weiterhin teilen uns einige Lehrer mit, dass sie lieber einen anderen Beruf ergriffen hätten, wenn ihnen zuvor klar gewesen wäre, was da alles auf sie zukommt. Das ist wirklich schade, nicht nur für die Schüler, welche dadurch keine Begeisterung für die Themen aufbringen, wodurch kein Dopamin ausgeschüttet wird, was den positiven Lerneffekt fördern sowie verursachen würde, sondern auch für die Lehrer, da unter ihnen auch ganz liebe, unterstützende und auf die Schüler eingehende Menschen sind, solche, die sich wirklich für die Schüler einsetzen, sich gerne mit ihnen unterhalten, den Lehrplan mehr oder minder begeistert vortragen und auch außerschulisch etwas mit ihnen unternehmen (würden). Diesen Menschen gehen die (Miss)Erfolge ihrer Schützlinge nahe. Umso bedauerlicher ist es, dass sie kaputtgespielt werden – nicht nur vom System, sondern auch von manchen der ihnen Anvertrauten. Auf den Gymnasien ist das teils deutlich spürbar, an Real- und Hauptschulen sieht die Lage kein Stück besser aus, eher im Gegenteil.
Das meint nicht, dass Real- und Hauptschüler prinzipiell alle so sind (es kommt auch stark auf die Stadt, die Umgebung an), doch es geschieht eher, dass ein Realschüler an unserer Bushaltestelle auf den Boden spuckt, mit seiner laut aufgedrehten Musikbox (Gangster-)Rap hört und laut über seine (Beziehungs)Probleme, Ansichten, Trinkgelage etc. redet, als jemand anderes sich dazu hinreißen ließe. Und dieses Verhalten führt nicht nur dazu, dass Lehrer eher abgeneigt sind, an diesen Schulen zu unterrichten, sondern dieses Verhalten ist auch ein Grund dafür, dass Gymnasiasten diesen Menschen häufig abgeneigt und arrogant gegenübertreten. Sie vergessen dabei vollkommen (oder es ist ihnen nicht bewusst), dass diese Jugendlichen in manchen Fällen ebenso intelligent oder sogar intelligenter sein können, als einige Gymnasiasten – sie besitzen lediglich nicht die selben guten Voraussetzungen, den starken Willen (und die finanziellen Mittel) des Elternhauses, ebensowenig wie die an uns gestellten Anforderungen oder die hohen Erwartungen, wodurch das allgemeine Niveau sinkt. Da die verschiedenen Schularten meist nicht richtig miteinander in Berührung kommen, bilden sich zudem immer mehr Unterschiede heraus, die Milieus grenzen sich voneinander ab. Zudem lässt sich im Alter von 10 nicht direkt feststellen, ob das eigene Kind eine Begabung besitzt, sehr intelligent ist oder eher dem Durchschnitt entspricht, dennoch findet in dem Alter diese folgenschwere Entscheidung statt – obwohl die Notenschere zwischen werdenden Gymnasiasten und Real-, Hauptschülern nicht sonderlich groß ist. Und für die Migrantenfamilien sieht die ganze Sache nochmals schlimmer aus – das kann wohl kaum Bildungsgleichheit oder -gerechtigkeit genannt werden.
Trotz dieser ungleichen „Startchancen“ bilden sich nicht wenige Gymnasiasten ein, besser als die anderen zu sein und dass dies allein ihr Verdienst ist – das soll kein Klischee darstellen; die extremeren Charakter bleiben jedoch häufig am ehesten im Gedächtnis (das trifft auch auf die Real-, … schüler zu). Sicherlich wird auch einiges dafür getan (die Eltern haben auch einen signifikanten Einfluss), dass sie bildungstechnisch mehr vorzuweisen haben, was dadurch belegt wird, dass sie Gymnasiasten sind und gute Noten bekommen, doch das berechtigt sie nicht, sich so überheblich aufzuführen. Niemand ist vollkommen gefeit davor, solche Gedanken zu hegen – jeder hat seine Baustellen, die er zu beheben versucht; manche von ihnen sind komplexer, ein paar sind größer und andere kleiner, doch unbestreitbar vorhanden - und jeder besitzt das Recht, mit den Menschen eine Freundschaft zu pflegen, die einem sympathisch sind. Doch all das entbindet niemanden davon, jeglichen Lebewesen mit Höflichkeit zu begegnen. Und worauf gibt es in den meisten Schulen keine Noten? Exakt: Auf das Verhalten. Weil es nicht messbar ist und keine konkreten Richtwerte vorgegeben sind. Es lässt sich zwar diesbezüglich auch erleichtert aufseufzen, da diese Menschen nicht direkt dazu erzogen werden, für höfliches und respektvolles Verhalten eine Gegenleistung zu erwarten, andererseits zeigt es aber auch, dass insofern wenig Wert auf Sozialkompetenzen und Teamfähigkeit gelegt wird. Wie sich solche Noten auf den Einzelnen auswirken würden, ist dennoch nicht 100%ig gewiss. Das von mir besuchte Gymnasium verteilt diese Zensuren und es ändert großteils nichts am Verhalten: Das einzige, was diese Personen am Ende des jeweiligen Halbjahres zu sehen bekommen, sind 3en oder 4en (und das nur, weil unsere Klassenlehrerin die Finger im Spiel hatte). Es wäre schön, wenn dieser Rüffel nicht nach den ersten vier Minuten, in denen sie sich lauthals beklagt haben, wieder aus deren Köpfe verschwinden würde - leider nur ein weiterer Tagtraum.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bildungsbenachteiligung_in_der_Bundesrepublik_Deutschland
Anna, die Schule und der liebe Gott - Richard David Precht
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