Der Ruf der Trommel - Diana Gabaldon

Der Ruf der Trommel - Diana Gabaldon

Sprachgewaltig wie eh und je leitet Diana Gabaldon ihren nunmehr vierten Band der sagenumwobenen Reihe ein, wobei sie mit einer bizarren Szene, nun an die 6200 Kilometer von Schottland mit seinen satten Bergen, Wäldern und Heiden entfernt, startet. An sich also keine Highland-Saga mehr, wären da nicht noch Roger und Brianna, deren Debüt dieser Roman darstellt.

Zunächst schreiten wir jedoch wie gehabt auf den Wegen Claires und Jamies, mit von der Partie ebenfalls Ian Junior, der sich sogleich einen treuen Weggefährten anfüttert und sich rigoros weigert, zurück nach Schottland zu schiffen. Das Eine kommt zum Anderen und deshalb begeben sie sich gemeinsam nach Wilmington, wo Jamie seine Tante, Jocasta Cameron, zu finden hofft. Sie stehen vor dem Existenzminimum. Früher stellte dieser Umstand kein Problem dar, musste sie doch stets flexible sein, um möglichst schnell verschwinden zu können. Dieses Mal wollen sie sich etwas aufbauen, besitzen jedoch die Mittel nicht mehr dafür, weshalb sie Hilfe erbitten müssen, was ihm ziemlich zu wider ist.

Dennoch begeben sie sich auf die Reise, in dessen Verlauf den Frasers zum ersten Mal deutlich wird, dass es nicht die beste Idee war, Stephen Bonnet, einem jungen verurteilten Piraten, das Leben zu retten. Später sollten diese Folgen noch gravierender sein und eine größere Katastrophe heraufbeschwören, an der sich Jamie großteils die Schuld gibt. Er ist von Selbstzweifeln umschattet, muss weiterhin nicht mehr nur für sich selbst sorgen, sondern auch für seine Familie. Vorrangig fühlt er sich allerdings erkaltet und abgestumpft, er glaubt, nach all den Jahren kein guter Mensch zu sein. Ehrlich gesagt kann ich ihm in der Hinsicht recht geben, wenn man bedenkt, wie er mit Roger umgegangen ist. Verständlicherweise, weil er es nicht besser wusste. Dennoch hat er mich vollkommen zur Weißglut getrieben. Die Vater-Sohn-Beziehung hingegen ist herzerweichend. Aber Claire mit ihrer unerschütterlichen Liebe versteht das alles und macht ihm unmissverständlich klar, für ihn da zu sein, ebenso den Umstand, dass auch sie nicht mehr das junge Mädchen von früher ist, Fehler gemacht hat, in gewisser auch Weise skrupelloser geworden ist.

Dazu gesellt sich allerdings auch das Schwinden Jamies und Claires Witzes, ihrer Ironie, Schlagfertigkeit und ihrem trockenen Humor, was einerseits ihre Reife verdeutlichen soll, andererseits aber ziemlich traurig ist, weil sie immer dieses besondere Etwas in ihrer Beziehung dargestellt haben. Roger und Brianna hingegen blühen auf, wobei er mir um einiges sympathischer erscheint, aber auch sie macht sich langsam.

Das können wir vor allem durch die Sichtwechsel beurteilen, welche uns näher mit den beiden bekannt machen. Sie kommen sich nach Claires verschwinden immer näher, und beide glauben, den richtigen Partner gefunden zu haben. Wäre da nur nicht der verhängnisvolle Zeitungsartikel. Roger meint, nichts ausrichten zu können, nachdem die Aktion um Culloden gescheitert ist, für Brianna ist das jedoch irrelevant. Der Schmerz um den Verlust ihrer Mutter, welche nicht tot indes aber unerreichbar scheint, tut ihr Übriges und so folgt sie kurze Zeit darauf dem Ruf der Trommel; er nicht viel später hinterher.

Weiterhin spielt vor allem das Kolonialleben des 18 Jhd‘s einen elementaren Bestandteil des Buches, wobei Claire damals berechnende Rieten und Praktiken vor Abscheu erbleichen lassen. Der Sklaverei kann sie nichts abgewinnen. Sonderlich lange muss sie sich damit jedoch nicht auseinandersetzen, weil sie dank eines großzügigen Angebots in die Berge ziehen, weshalb wir den Aufbau Fraser Ridges miterleben. Das harte Leben als Farmer, lässt einen beginnen, sich Gedanken darüber zu machen, wie viel Arbeit und Zeit hinter gewissen Dingen steckt. Man betrachtet seinen eigenen Komfort mit neuen Augen. Ab jetzt ist es ebenfalls nicht mehr nur der Kampf gegen die Menschen, sondern das Messen mit der Witterung, den Naturgewalten und Tiere. Auch Indianer sind hier wiederzufinden, mit welchen die Frasers eine distanzierte Freundschaft eingehen. Aber Ian haben sie es angetan und er verbringt beinahe mehr Zeit mit ihnen, als Zuhause. So scheint zum Teil auch ein Wildwest-Roman aus der Reihe geworden zu sein.

Im allgemeinen scheint jedoch alles in der Schwebe zu hängen, die Ereignisse laufen auf kein konkretes, großes Ereignis hin, da der Freiheitskampf noch in geraumer Zukunft liegt, weshalb man sich eher gleiten lässt. Unterschwellig fühlt es sich wie die Ruhe vor dem Sturm an. An einigen stellen hatte sie dennoch große Schwierigkeiten, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, was sie durch mehrere kleine, eingebundene Unglücke ändern versuchte. Großteils verliert sie sich fast in Beschreibungen und ihrer Faszination in die Natur, Sinneseindrücke und Momente. Sie zeichnet Augenblicke in ihrer monumentalen Gesamtheit und Intensität, was ihre Liebe zum Leben sehr deutlich macht. Es ist faszinierend, ihr zu lauschen, lässt einen jedoch nach dem Lesen der ersten drei Bänden infolge ziemlich sensibilisieren. Zumindest erging es mir so; erschlagen von den ganzen Sinneseindrücken. Zum Ende hin nimmt das Buch jedoch wieder an Fahrt auf, was die Eindrücke verhältnismäßig abmildert.

Wenn man darüber jedoch zeitweilens hinwegsieht, kann der eigene Fokuspunkt wo anders hingesetzt werden. In meinem Fall stand erneut die Zeitreise im Vordergrund. Mir wurde schlagartig klar, dass die Zeiten parallel zu einander laufen müssen, Seite an Seite existieren. Und wer sagt dann, dass es nicht auch eine Zeit gibt, die schon lange in der Zukunft liegt, und eine Person aus dieser ins 20. Jhd. fallen kann. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, dass Claire noch weiter in die Vergangenheit reisen könnte, sofern sie will. Und daraufhin stellt sich mir die Frage, ob nicht alles festgeschrieben steht, es ein Schicksal gibt, welches unsere Wege vorschreibt. Claire's und Jamies Weg muss vorgeschrieben sein, sonst könnte die Zeit später nicht in der Form bestehen, wie sie es tut. Schließlich ist alles schon längst vergangen, im Geschehen und gleichzeitig in geraumer Zukunft liegend. Die Jahrhunderte bestehen parallel zur gleichen Zeit. Demzufolge müssen die Zeitreisenden auch mehr als einmal existieren, wenn mit den Edelsteinen beeinflusst werden kann, wann man landen will. Und so geht die Gedankenkette immer fort.

An sich ein gutes Buch, nicht sonderlich spannungsintensiv, aber voller Details und mit viel Liebe geschildert. Wer also ein großer Verfechter der vielen Worte und grandiosen Sätze ist, eine enge Verbindung zu der Natur besitzt und gerne Gedankengänge anderer verfolgt (und daraufhin eigene hinzufügt), ist hier genau richtig. Insgesamt ist der Roman meiner Ansicht nach jedoch nicht ganz so gelungen wie die ersten zwei, der dritte vielleicht auch noch mit einberechnet. 


Du hast nicht die Rechte, einen Kommentar zu veröffentlichen!

Copyright © 2025 annatatio.de. Alle Rechte vorbehalten.
Joomla! ist freie, unter der GNU/GPL-Lizenz veröffentlichte Software.