Das Erbe von Winterfell - George R. R. Martin

Das Erbe von Winterfell - George R. R. Martin 

Nahtlos werden wir vom ersten Teil des Bandes in den zweiten übergeführt, finden uns sofort mitten im Geschehen wieder, werden in das kommende Schicksal Westeros, dem Reich der sieben Königslande, eingeführt. Wer hier zugreift, wird nicht enttäuscht.

Durch die perspektivischen Wechsel und dem Umstand, dass die Kinder Eddard Starks wie im Winde verweht zu sein scheinen, wird einem ein umfassendes Bild bezüglich der Lage des Landes in verschiedenen Spektren dargeboten. Und doch dreht sich der zentrale Punkt und Konfliktherd, welcher verheißungsvoll und düster über der Köpfen aller schwebt, um diese eine Aussage: "Wenn man das Spiel um Throne spielt, gewinnt man, oder man stirbt. Dazwischen gibt es nichts. " Wer sich also zuvor noch Gedanken darüber gemacht hat, wie er all die Protagonistin bei sich behalten soll, kann nun beruhigt ausatmen. Denn bleibt die Sterblichkeitsrate weiterhin so hoch, sind am Ende der Reihe nahezu all die Hauptakteure gestorben.

Der Mythos, Herr Martin gehe mit seinen Figuren, welche ihn, wie er im Interview berichtete, des Nachts heimlich im Schlaf besuchen, hart ins Gericht, entspricht der vollen Wahrheit. Dabei spielt es auch keine Rolle, auf wessen Seite diese stehen. Entweder sind sie klug oder haben Glück oder bedienen sich dem Zufall oder sterben eben, so grausam und gnadenlos es auch ist, die zum Teil liebgewonnenen Menschen gewaltsam umkommen zu sehen. Auch mutete es einerseits verwunderlich und andererseits bitter an, dass die Kinder (seien es Robb, Bran oder auch Dany und Arya) so schnell aus ihren Kinderschuhen haben herauswachsen müssen. Es blieb ihnen jedoch keine wirkliche Wahl, sonst hätte auch sie dieses Schicksal ereilt, sie wären in den Ränkespielen untergegangen. In diesen Hinsichten zeigt sich allerdings auch wieder die realitatsnahe Schreibweise des Autors. Krieg verändert einen, zwingt Menschen, sich anzupassen und fordert ebenso das Leben unschuldiger, großteils auch guter Leute. So nimmt das Intrigieren und Bekriegen immer weiter an Fahrt auf.

Analog zu den Geschehnissen können auch wieder historische Belange mit einbezogen werden. In diesem Fall war es der hundertjährige Krieg, welcher dem Autor als Inspiration diente. Dort drehte sich die folgenschwere Auseinandersetzung um die ungeklärte Erbfolge des französischen Königs nach seinem Ableben, woraufhin dessen Neffe, der König von England, Ansprüche auf den Thron erhob (Frauen wurden übrigens nicht in der Nachfolge berücksichtigt, was ein Querverweis auf Cersei sein soll). Doch dieser wurde von einem anderen besetzt und so begann die Invasion, wobei der englische König im Südwesten Frankreichs einfiel und das Ritterheer bei Crecy vernichtend schlug. So hielt er lange Zeit lang wichtige Stützpunkte wie Calais und Bordeaux, unterstützt von verschiedenen Fürstentümern. Gegen horrendes Lösegeld verzichtete der englische König letztendlich doch auf den Thronanspruch und zog sich zurück in sein Reich. So zumindest die erste Phase, welche fünf Dekaden umfasste.

Im Buch beraumt er jedoch eine nicht ansatzweise so lange Zeitspanne an und es wird erst am Ende "KÖNIG DES NORDENS" in die Welt geschrien, zudem gibt es nicht nur zwei Parteien, sondern mehrere Figuren auf dem Schachbrett, außerdem eine Großzahl offen stehender Variablen, sowie unterschiedliche Beweggründe und Einzelschicksale, die mit anderen verknüpft sind, und des weiteren. Aber man merkt deutlich, wie stark die Handlung des Romans angezogen wurde, was eine regelrechte Sogwirkung verursacht. Die Cliffhanger eines jeden Kapitels tun ihr Übriges und induzieren gemeinsam einen kolossalen Spannungsbogen. Wir lesen die Arbeit eines Meisters auf seinem Gebiet.

Aber nun genug der Historie, schließlich schreibt Herr Martin ebenso mit Vorliebe nach William Faulkners Definition der Literatur, die da lautet: „Das einzig lohnenswerte Thema für einen Schriftsteller sei das menschliche Herz im Konflikt mit sich selbst.“ Und so viel innerhalb des Bandes geschieht, trägt dieser Umstand dennoch nicht im Entferntesten dazu bei, den emotionalen Gefühlsebenen der Protagonisten nicht mehr folgen zu können. Der ein oder andere führt einen heftigen Disput mit sich aus selbst aus, doch drehen sie sich insgesamt betrachtet gemeinsam um eine Problematik: Sie möchten ihre Familie schützen, gleichzeitig aber auch das Königreich vor einem Kollateralschaden bewahren. Dabei spielt weniger eine Rolle, welches Verlangen intensiver ist, da die Familie der Starks nur dann weiter bestehen kann, wenn sich Ned in das verstrickte Gefüge von Intrigen und Verrat begibt, beginnt, in das immer lauter spielende Orchester mit einzustimmen. Ach die anderen müssen anfangen, sich Gedanken um die Zukunft zu machen, herausfinden, inwiefern sie einschreiten und agieren wollen. Bald wird ihnen die Entscheidung abgenommen.

Indes begibt sich natürlich auch unser Herz auf eine ungewisse Reise, wird Mal zu Mal in die Irre geführt, verwirrt, verunsichert und herausgefordert. Dereinst können wir nicht sagen, wer auf welcher Seite steht, warum die Person diese Tätigkeit ausführt, jenes Wort sagt, doch etwas anderes tut, und dann empfinden wir zudem Sympathie denjenigen gegenüber, die familienbezogen oder vom Ruf her eher im dunklen Graubereich stehen. Dazu eignen sich für Demonstrationszwecke am Besten Tyrion, als auch Varys und Dany. Zu der Aufgewühltheit gesellen sich in diese Rubrik auch der Krieg, wie könnte es anders sein, sowie Mord, Hilflosigkeit, schwere Schicksale und, etwas harmloser, der Fakt, dass wir von einem wortgewaltigen Strudel mitgezogen werden, der verursacht, dass wir das Buch nicht mehr aus der Hand legen können. Es scheint einfach an der Hand festgewachsen zu sein.

Weiterer Schuldenträger ist dabei auch die zunehmende Anzahl an fantasievollen Elementen, welche glaubwürdig und dezent in den Gesamtkontext eingebunden worden sind, sich nahtlos ins Gefüge integrieren. Vor allem der nördliche und östliche Teil der Welt bieten ihre besonderen Reize, schrauben sich langsam zu etwas Großem hoch und bieten ein Potential für weitere Bände (was bei den insgesamt 10 auch nicht verwundert oder außer acht gelassen wurde).

Obschon die Thematik eher schwer verdaulich ist, wenn unsere Geschichte betrachtet wird,lässt sich schlussendlich trotzdem nur noch eines sagen: Auf, auf, dem nächsten Buch hinterher, diesem gewitzten Verführer.

 

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