Ein Meer aus Stille zwischen uns, in welches man nicht dringen mag. Stellte sich einem früher noch ab und an die Frage, ob ein mäandernder Wortschwall das ruhige Gewässer durchdringen und beleben soll, so begann man mit der Zeit, immer häufiger die Ruhe vorzuziehen.
Empfand man die eigenen Energieströme vorerst erquickend, erfüllend, kehrten sie sich bald ins Gegenteil um. Anstatt den weiten stillen Raum mit Farben zu füllen, raubte man ihm jegliche eigene Energie. Und so wurde man selbst immer müder, der Schwall stellte sich ein, die Frage, ob erneut Worte die Ruhe durchdringen sollte, stellte man sich nicht mehr. Ermattet, beginnt man langsam zu erstarren, die Stille wird zum Dauerzustand, alles andere scheint gar abstrus, unverständlich, störend.
Erst spricht man Stunden, dann Tage nicht mehr, erschrickt vor dem Klang der eigenen Stimme, die immer rauer wird. Gleichzeitig fühlt sich jede stille, unangenehme Sekunde so an, als würden unzählige Ameisen den Rücken erklimmen und sich über den gesamten Körper ausbreiten - ein unangenehmes kribbeln erzeugend. So beginnt man, längere Wege in Kauf zu nehmen, um möglichen Konversationen aus den Weg zu entgehen, man schiebt Verabredungen auf, im Wissen, dass sie niemals stattfinden werden, man beantwortet immer seltener Nachrichten, hört nahezu ganz mit schreiben auf, weil darin nichts tieferes mehr gefunden wird. Langsam realisiert man, einander nicht viel sagen zu haben. Und von da an beginnt alles an, unerträglich zu werden.
Man gibt sich selbst die Schuld daran, fühlt sich wie ein Energievampir, einen inkompetenten Gesprächspartner, schlechten Freund. Doch anstatt sich permanent die Schuldgefühle auf die eigenen Schultern zu laden, wie man es die letzten Monate über getan hat, die Pfeile der Selbstmissachtung spürend, zieht man sich in das einzige zurück, was einem geblieben ist - man selbst. Traut man sich zunächst - und dieses zunächst kann Monate umspannen- nicht, die Hand auf die Türklinke der Pforte unserer Selbst zu legen, aus Angst vor dem Alleinsein, unserer unerforschten Persönlichkeit und der Missachtung anderer, öffnet man schon bald diese Pforte spalt- um spaltbreit und bekommt Kreaturen, Wesen, Farben zu Gesicht, bei welchen man es nie für möglich gehalten hätte, dass sie in einem hausen. Anstatt dass die befürchtete innere Stille einen erstickt, wird diese von ungeahnten Klängen bis in den letzten Winkel des Seins überflutet. Eine neue Ebene der eigenen Persönlichkeit erstreckt sich vor einem entlang.
Man begibt sich durch dieses unbekannte Gebiet, losgelöst, befreit, und es wird einem bewusst, wie lange man angespannt war. Nach einem langen Prozess erkennt man überrascht, dass dieses innere Gefängnis zwar noch immer ein solches ist, aber ebenso eine Festung, weitestgehend gestählert gegen die außen lauernden Schrecken (selbst wenn im Inneren noch genug weitere warten), ausgestattet mit unbekannten Winkeln, magischen Türen, die einen in entfernte, fantastische Gefilde entführen.
So abschreckend der Gedanke an das Alleinsein lange gewesen war, steht dieser im Nachhinein nicht im Verhältnis zu dem, was dieses einem offenbart hat - innere Schätze. Geschenkten, hart erarbeiteten Frieden. Zumindest solange man alleine ist; in der Öffentlichkeit kämpfen sich zuweilen alte Gefühle erneut an die Oberfläche - Leben ist nicht einfach.