"Früher war alles besser"
Eine Aussage, die viel zu häufig getroffen wird, ohne dass deren Essenz verstanden wurde. Die Leute wollen in der Regel nicht alle damaligen Begebenheiten zurück, sondern die Leichtigkeit ihrer Jugend, mit welcher sie auf Veränderungen reagiert haben. Sie wollen nicht die damalige Zeit zurück, sondern wollen einfach nicht, dass sie auch in Zukunft immer wieder neu umdenken müssen, wollen sich nicht in einer immer komplexer werdenden Welt verlieren, die sich so sehr von der Zeit scheidet, in der sie groß geworden sind. Von der Zeit scheidet, die ihnen alle Grundwerte vorgegeben hat. Es reicht leider nicht mehr aus, einmal etwas zu lernen und darauf sein ganzes Wissen in gutem Gewissen aufbauen zu können, denn unzählige Fakten der heutigen Zeit werden morgen womöglich bereits umgeworfen sein. Werte und Ansichten, die wir heute haben, werden morgen möglicherweise mit spitzen Fingern entfernt und bei Seite gewischt werden.
Uns Gewohnheitstieren gefällt das nicht, schließlich verändern wir uns häufig nur deshalb, weil wir uns nicht verändern wollen. Doch selbst das tun wir nur widerwillig. In der Physik, so haben wohl einige von euch gelernt, bleibt ein Körper, der sich im Ruhezustand befindet, aufgrund seiner Trägheit in Ruhe, sofern keine Einflüsse auf ihn einwirken, während ein sich bewegender Körper in Bewegung bleibt, sofern keine äußeren Einflüsse auf ihn einwirken. Kurz: Actio = Reactio. Menschen sind genauso. Äußere Kräfte wirken auf uns ein, verlangen, dass wir uns in Richtung Zukunft bewegen, dabei wollen wir im Hier und Jetzt, in der Vergangenheit bleiben, da es sicheres Land zu sein scheint - zumindest hat man diese Lande bereits durchquert, wenn auch nicht selten ebenso widerwillig wie wir auf den zukünftigen Weg schauen; dabei verdammen wir ihn mit unserem Blick nur deshalb, weil dieser Weg unbekannt ist und wir uns vor dem Unbekannten scheuen.
Deshalb glorifizieren wir häufig das Bekannte, das Sichere - natürlich waren einige Dinge gut, sind konservierenswert, doch viele Dinge waren es auch nicht. Vor allem passen sie nicht mehr in die heutige Zeit und können nicht die Antworten auf die heutigen Probleme geben. Deshalb sollten wir immer mit offenen Augen, geschärftem Verstand und geweiteten Herzen der jetzigen Welt begegnen und sie nach bestem Ermessen formen. Sie gleicht einem Tonklumpen, den wir in unseren Händen halten - und ebenso wie wir die Welt formen, welche sich den Ereignisse anpassen muss, müssen wir auch unsere Gedanken modellieren. Unsere Hände dürfen nicht stillstehen, sondern müssen in Bewegung bleiben, um etwas zu erreichen, ebenso wie unser Geist, der zuerst in Traumgefilden den Bauplan reifen lässt. Mal sind sie mehr in Bewegung und mal weniger, aber sie dürfen nicht gänzlich erstarren. Die Hände werden Fehler machen, so wie wir es tun werden. Aber deshalb sollte man das vorherige Modell nicht in den Himmel preisen, da es jenen Fehler nicht aufwies, dafür aber mannigfache Unebenheiten besaß, die wir im Nachhinein nicht mehr betrachteten, da wir sie im Laufe der Zeit ausgemerzt hatten.
Unsere Welt können wir dabei aktiv gestalten, aber auch passiv. In dem Fall überlassen wir jemand anderem die Arbeit des Formens, weil er unseres Ermessens nach mehr Expertise auf diesem Gebiet besitzt. Diese Leute sollten heutzutage vor allem die Politiker sein, welche unseren Willen versuchen durchzusetzen. Politik durchzieht unser gesamtes Leben, bestimmt über unsere Freiheiten, Rechte und Pflichten, weshalb wir ihr stets ein offenes Ohr schenken sollten, da an ihr so viel hängt. Nun kann ich aber auch verstehen, dass einige von euch frustriert sind, weil eure Anliegen nicht durchgesetzt wurden und vermutlich auch nicht werden, weshalb ihr euch ohnmächtig fühlt angesichts des häufigen Scheiterns, welches wir in den Nachrichten zu sehen bekommen. Das Hauptproblem, die Wurzel allen Übels, liegt wohl darin, dass es keine gesunde Debattenkultur gibt und die Politiker lediglich gegenseitig mit den Fingern aufeinander zeigen, ohne selbst jedoch Content zu bringen und aufzuzeigen, wie sie die Zukunft gestalten wollen. Das hat man bei dem diesjährigen Bundeswahlkampf erneut deutlich gemerkt - zumindest habe ich von der CDU nicht viel anderes zu hören bekommen. Als weiteres Beispiel lässt sich anbringen, dass die Regierung bei dem Corona-Management einiges in die Luft gejagt und falsch (oder gar nicht) angepackt hat. Zur Osterzeit sollten einige Tage verschärfte Corona-Regelungen gelten, wovon Geschäfte betroffen gewesen wären, was die Wirtschaft absolut nicht lustig fand, weshalb die Regierung die Maßnahmen im letzten Moment zurück nahm, wodurch die Bevölkerung noch verwirrter und entrüsteter war als ohnehin schon. Daraufhin entschuldigte sich, zum Erstaunen aller, Frau Merkel bei uns Menschen für diesen Fehltritt – ein Akt, der nur alle Jubeljahre in der Politik geschieht, da man damit in der Regel sein Todesurteil unterschreibt. Im Gegenteil dazu wurde ihr Vorgehen umso öfter gelobt und hervorgehoben, da dieses Rückgrat normalerweise fehlt. Doch es gab auch unzählige Menschen, die ihre Tat verhöhnten und dieses Eingeständnis ihr zum Nachteil gereichten, da es in ihren Augen eine Schwäche war. Manche Menschen in der Bevölkerung sind leider ebenfalls ein Problem, was sie selbst jedoch leider nicht wissen oder schonungslos ausnutzen.
So geben Politiker selten Fehler zu (was auch daran liegt, dass sie im Amtbleiben wollen) und riskieren nichts mehr - stattdessen laufen sie auf der Stelle, um den Anschein zu erwecken, dass sie in Bewegung sind, ohne einen Schritt voranzukommen. Müssen sie auch nicht, weil sie für jeden gemachten Schritt Unsummen verdienen. Ob sie dafür tatsächlich vorwärts streben oder nicht, spielt dabei keine Rolle - und wer will schon die ganzen Hindernisse überwinden, welche zu Haufen vor ihnen liegen und immer wieder hinzugelegt werden? Der Abgrund hinter ihnen liegt noch in weiterer Ferne als der vor ihnen, welcher sie in eine ungewisse Zukunft bringt. So verharren sie viel zu häufig im Hier und und Jetzt, aus Angst, sich der Unausweichlichkeit der Zukunft zu stellen. Sie unterscheiden sich von den meisten von uns nur insofern, als dass viel Verantwortung aus ihrer Position hervorgeht, woraus später ein Baum wachsen soll, nicht ein Strauch, wie es bei uns der Fall ist.
Diese Einschätzung klingt wahrscheinlich alles in allem recht negativ, weshalb sich einige wohl die Frage stellen, weshalb sie sich überhaupt zu den Wahlen begeben und stets auf dem Laufenden bleiben sollen, wenn sich in den letzten Jahren nicht viel verändert zu haben scheint. Aber genau das ist eben jener Grund, weshalb man nie aufgeben sollte – Gesichter, Einstellungen und das Wahlprogramm bleiben nicht immer das Gleiche. Die Zukunft wartet leider nicht darauf, dass wir uns langsam ausmähren und Problemen keine Beachtung schenken. Sie sind womöglich eine Zeit lang tief verborgen, doch sie tauchen früher oder später wieder auf. Doch dann haben sie noch weitreichendere Folgen als wenn wir sie jetzt im Keim ausmerzen. Es ist möglich, dass die Problempandemie erst richtig ausbricht, wenn wir nicht mehr sind, doch das sollte nicht unsere Ausrede sein, jetzt nicht zu handeln. Wir können die Welt vielleicht nicht vom einen auf den anderen Tag verändern, doch wir können kleine Schritte setzen, um unserem Ziel näher zu kommen. Der erste Schritt ist, sich damit auseinanderzusetzen, was mal selbst möchte und braucht. Warum will man ausgerechnet das? Was bringt es dir in der Zukunft? Informiert euch bei diesem Prozess auch umfänglich mt dem Kernthemen, da ihr so euren Blick erweitern könnt. Der zweite Schritt sollte sein, es mit dem Wohlergehen und Grundrechten anderer Menschen in Einklang zu bringen. Und ein dritter wichtiger Schritt wäre, zu schauen, welches Wahlprogramm und welche Partei diesen Idealen und Zielen am nächsten kommt, weil man mit diesen kleinen Kreuzen etwas bewirken kann, selbst wenn es seine Zeit braucht und nicht immer gleich ersichtlich ist. Deshalb gebt bitte nicht auf, tauscht euch mit anderen aus – eure Wort können Wunder bewirken, schließlich sind sie wohl unerschöpflichste Quelle der Magie (vgl. Harry Potter). Vielleicht bleibt eines eurer Worte einem Splitter gleich im Kopf, im Herz eures Gegenübers stecken und taucht immer tiefer hinein, ohne dass ihr es bemerkt, und führt zu einer Veränderung.